Bielefeld Strafverteidiger im Mordprozess sprechen von Komplott unter den Zeugen

Bielefeld. Sechs Verhandlungstage sind am Bielefelder Landgericht vergangen, um die genauen Hintergründe der Bluttat in der Nähe des Brackweder Treppenplatzes im Dezember aufzuklären. Normalerweise bringen Zeugen Licht ins Dunkel. Doch bei diesem Prozess verwickeln sie sich immer wieder in Widersprüche und zeigen große Erinnerungslücken. Für das Gericht gilt aufzuklären, was an dem Tatabend wirklich geschah. Fakt ist, dass ein 31-jähriger Café-Betreiber am Abend des 8. Dezember am Treppenplatz aus einem Auto heraus mit vier Schüssen tödlich verletzt wurde. Der mutmaßliche Täter stellte sich ein paar Tage später der Polizei, schweigt aber vor Gericht. Das Opfer wollte vermutlich einen Streit zwischen zwei anderen Männern, dessen Grund noch unbekannt ist, schlichten. Nach Ansicht der drei Strafverteidiger ist das Opfer jedoch nicht alleine am Tatort gewesen. Es soll ihrer Meinung nach von mehreren Männern begleitet worden sein, die das spätere Opfer bei der Streitschlichtung unterstützen wollten. &bdquo;Sie wollten dem Angeklagten eine Lektion erteilen und dem Opfer Memo K. beistehen. Sie stellten unserem Mandaten eine Falle“, ist die Annahme von Strafverteidiger Holger Rostek. Sollte sich diese These bestätigen, könnte eine Art Notwehr ihres Mandanten infrage kommen und das Strafmaß reduzieren. Doch bisher bestätigten die Zeugen, die sich im Dezember am Tatort aufhielten, diese Annahme nicht. Sie erinnerten sich lediglich daran, aus der Ferne die Schießerei beobachtet zu haben und teilweise sogar selbst beschossen worden zu sein. Trotz Ermahnung des Vorsitzenden Richters Georg Zimmermann, bei der Wahrheit zu bleiben, blieben die Zeugen oft vage. Nachfragen der Strafverteidiger zu widersprüchlichen Aussagen zwischen ersten, schriftlich protokollierten Polizeivernehmungen und den Aussagen jetzt vor Gericht wurden oft nur widerwillig beantwortet. Zwischenfall nach dem Zeigen der Obduktionsbilder Ergebnis war, dass fast alle Zeugen nicht entlassen und unvereidigt blieben und für erneute Anhörungen zur Verfügung stehen müssen. Sollte das Gericht dann neue Erkenntnisse haben und ihnen eine vorherige Falschaussage oder das Nichtpreisgeben von Wissen um die Tat nachweisen können, müssen sie mit hohen Strafen rechnen. Um dieser Strafe zu entgehen, hatte eine Zeugin, die bereits einmal ausgesagt hatte, in der Woche den Vorsitzenden Richter angerufen und wurde heute noch einmal gehört. Die Frau behauptete, am Tag nach der Tat sich mit zwei weiteren Frauen in der Wohnung des Opfers getroffen zu haben. Dort sei auch ein Freund des Opfers Memo K. gewesen. Der habe ihr bestätigt, dass Memo mit Unterstützung anderer den Streit schlichten wollte, also eine Falle für den Täter aufgebaut worden sei. Die folgende Zeugin, die an diesem Gespräch teilnahm, wollte sich zunächst nicht an dieses Treffen in der Wohnung des Opfers erinnern. Erst nach mehrmaliger Nachfrage und Bohren von Richter und Strafverteidigung konnte sie sich dann an dieses Treffen erinnern. Allerdings habe sie nichts von einer Falle gehört. Ihre Lieblingsworte waren bei Nachfragen immer wieder: &bdquo;Keine Ahnung“. Es habe immer wieder Stress gegeben mit Memo. Detailliert konnte sie das jedoch nicht weiter ausführen. Danach trat dann der Mann in den Zeugenstand, der die These vom Fallenstellen den Frauen mitgeteilt haben soll. Er konnte sich zunächst nicht daran erinnern, überhaupt mit drei Frauen jemals in der Wohnung des Opfers gewesen zu sein. Erst nach heftigem Insistieren gab er zu, sich dort aufgehalten zu haben. Niemals habe er jedoch über eine Falle gesprochen. Die Strafverteidiger vermuten hinter allen Zeugenaussagen eine vorherige Absprache und einem Komplott zwischen den Zeugen, die dem Umfeld des Opfers zuzuordnen sind. Zu einem Zwischenfall kam es, als während der Sitzung der Gerichtsmediziner Bilder der Obduktion zeigte und damit zwei Nebenkläger vermutlich so provozierte, dass diese aus dem Sitzungssaal stürmten und dort auf den Bruder des mutmaßlichen Täters stießen. Sie sollen ihn heftig beleidigt und mit körperlichen Drohgebärden angegangen haben. Rund 20 Justizbeamte brachten wieder Ordnung in das Geschehen. Einer der Angreifer soll in der vergangenen Woche vergeblich versucht haben, ein Messer in das Gerichtsgebäude zu schleusen. Er muss jetzt mit einem Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz rechnen. Am Donnerstag wird der Prozess mit weiteren Zeugenaussagen fortgesetzt.

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