Auswirkungen des Klimawandels TV-Wetterfrosch warnt: Auch in Bielefeld wird das Wetter immer extremer

Herr Plöger, Klimaveränderungen hat es auf unserer Welt schon immer gegeben. Deswegen sollte uns die jetzige Situation nicht unbedingt erschrecken. Es wird sich schon alles wieder regulieren, ist das Argument vieler Veränderungs-Leugner. Ist das richtig? Sven Plöger: Ja, Veränderungen hat es immer gegeben, aber nicht so schnell. Wir haben heute einen zusätzlichen physikalischen Antrieb - das sind wir Menschen mit unserem Treibhausgas-Ausstoß. Das führt dazu, dass sich die Dinge global sehr beschleunigt verändern. Den Klimaforschungsleugnern geht es nicht um die Sache, sondern um Behauptungen, die inhaltlich fast immer grober Unfug sind – meist mit dem Ziel, aus Angst vor Wohlstandsverlust an antiquierten Strukturen festzuhalten. Die Wissenschaft hat uns vor 30 bis 40 Jahren sehr gut aufgezeigt, was wir heute zu erwarten haben. Wir können Veränderungen messen und auf Fotos sehen. Wir wissen, wo wir stehen, können es physikalisch erklären. Ich orientiere mich daran, Wissenschaft verständlich zu übersetzen, ohne ideologisch den Zeigefinger zu heben. Ich möchte nach praktischen Ideen suchen, durch die wir möglichst gut aus dieser zentralen und selbstverursachten Krise der Menschheit herauskommen. Vor rund 11.000 Jahren war die Erde im Schnitt noch 4 Grad kälter, jetzt hofft man, dass die Erwärmung nicht die 1,5 Grad-Marke übersteigt. Klimatisch war die Welt vor 11.000 Jahren noch ein ganz andere, kalte. Wenn wir in den nächsten 100 Jahren keinen Klimaschutz schaffen, geht es in die extreme Gegenrichtung. Wir beschleunigen Dinge, für die die Natur 11.000 Jahre braucht, auf kurze 100 Jahre. Das ist der Unterschied zwischen früheren und dem heutigen Klimawandel. Eine 4 Grad kälterer Welt heißt: die Alpentäler sind voller Eis, Österreich oder die Schweiz sind unbewohnbar. Berlin oder Rügen liegen 200 bis 500 Meter unter Eis. Bielefeld, zwar ohne Eis, wäre aber extrem kalt. Kurz: Wir können konstatieren, dass eine vier Grad kältere Welt mit der heutigen Welt nichts zu tun hat. Aber wenn eine vier Grad kältere Welt mit der heutigen nichts zu tun hat, dann hat eben auch eine vier Grad wärmere Welt mit der heutigen nichts zu tun. Bekommen wir keinen Klimaschutz hin, dann würden große Bereiche dieser Welt nicht mehr bewohnbar sein. Ich schaue mir Karten mit entsprechenden Szenarien ungern an und zeige sie auch nicht. Sie könnten dazu führen, nur noch &bdquo;die Apokalypse“ zu sehen und damit jede Energie zu verlieren, anzupacken. Wir müssen uns klar machen: Wir könnten umsteuern, aber dazu müssten wir viel entschlossener auftreten. Wir brauchen Energie, wir brauchen Wasser. Gehen wir einer Katastrophe entgegen, wenn wir nichts tun? Und, was können wir tun? Nicht Ratgeber kaufen und ins Bücherregal stellen, sondern reinschauen und Dinge umsetzen, Energieberater anrufen, welche Sparmöglichkeiten es im Haushalt gibt. Jeder weiß heute genau, welche Mobilität schädlich oder nicht schädlich ist. Wir haben durch Corona gelernt, dass es nicht sein muss, dass zur gleichen Uhrzeit Menschen in Staus stehen müssen. Jeder einzelne kann überlegen, wie er sich ernährt. Eigentlich müsste ich etwas ändern, das wissen viele Menschen. Aber sie machen dann doch nichts. Wir brauchen globale Rahmenbedingungen, die die Marktwirtschaft ertüchtigen. Bisher ist sie auf dem sozialen und auf dem ökologischen Auge blind. Wer die Umwelt verschmutzt, darf nicht reicher werden als die, die sie sauber halten. Wir brauchen ein Geschäftsmodell, bei dem die Rahmenbedingungen zur Reinhaltung der Umwelt stimmen. In den vergangenen Jahren erleben wir in Bielefeld immer wieder extreme Wetterverhältnisse, sei es Starkregen, Orkane oder auch extreme Schneefälle. Ist das dem Klimawandel geschuldet? Die Wetterabläufe sind tatsächlich zunehmend der Klimaveränderung geschuldet. Sie führt dazu, dass Hoch und Tiefs langsamer ziehen. Das hat mit dem arktischen Eis zu tun, das sich zurückzieht und auch den Jetstream, den Strahlstrom, beeinflusst. Bleibt ein Hoch länger liegen, sorgt das für Trockenheit, Dürre und im Sommer für Hitze. Bleibt das Tief lange bei uns, bringt es Regen oder oft Starkregen mit Überschwemmungen. Der Durchschnittswert ändert sich vielleicht gar nicht mal so sehr, aber es wird extremer. Wechselt sich lange Trockenheit mit Wasserfluten ab, ist nichts gewonnen. Wasser fließt oberflächlich ab und spült vielleicht noch guten Boden weg. Die Pflanzen sind jetzt im Wachstum, sie brauchen Feuchtigkeit. Der April half ein wenig, der Mai bisher nicht. Gewitterregen sind kein Ausgleich, besser wäre Feuchtigkeit von wiederkehrendem sechsstündigen Landregen. Klimaerwärmung bedeutet auch, dass Regionen unterschiedlich erwärmt werden, das verändert die Luftströmungen, die diese Unterschiede ausgleichen. Sich an die schnellen Veränderungen anzupassen, ist das große Problem von Fauna, Flora und uns Menschen. Strom durch Windenergie. Wind treibt Flügel an, wird sozusagen verbraucht. Fehlt es dann nicht an Windenergie am nächsten Zielort? Das höre ich sehr oft. Vom Grundgedanken hat das einen wahren Kern. Nach dem Energieerhaltungsgesetz gilt, was ich raus nehme, das ist weg. Aber wir müssen uns fragen, wie viel wird raus genommen? Die größten Windkraftanlagen sind vielleicht 200 Meter hoch, doch allein die untere Atmosphärenschicht, die Troposphäre reicht ja bis 12 Kilometer hinauf, darüber liegt die Stratosphäre, die bei 50 Kilometern endet. Überall dort gibt es teils heftigste Luftbewegungen. Wenn man das vergleicht, kann man die winzigen Windräder getrost vergessen. Das ist vergleichbar mit einem Kind, das einen kleinen Plastikpropeller in den Rhein hält, und wir schauen dann an der Mündung des Rheins nach, wie stark dieser Plastikpropeller die Strömung verändert hat. Das wäre die gleiche Fragestellung. Die Veränderung ist da, aber so klein, dass wir sie überhaupt nicht messen könnten. Der Einfluss ist also quasi Null. Sie sind ein Verkünder schlechter Botschaften. Können sie überhaupt noch gut schlafen? Ich habe viel erzählt darüber, was wir ändern können. Wir müssen aufpassen, dass wir uns durch zu dystopische Schilderungen nicht den Mut nehmen und gleichzeitig aber auch nicht anfangen, uns die Welt schönzureden. In Vorträgen versuche ich diesen Punkt herauszuarbeiten und den Zuhörern dann zu zeigen, wie viele Stellschrauben wir – insbesondere auch unsere Unternehmen - haben. Wir müssen anfangen. 100 Prozent im Visier zu haben und alles so perfekt machen zu wollen, dass wir am Ende alles zerreden und vielleicht 10 Prozent erreichen, kann keine Strategie sein. Ich habe lieber 75 Prozent im Visier und erreiche vielleicht 50 bis 60 Prozent im ersten Anlauf, aber es muss losgehen. Gerade das Anpacken ist ja auch eine ureigene unternehmerische Haltung. Schon vor 10 Jahren habe ich mal geschrieben, dass die Unternehmen in Zukunft die Politik hinter sich herziehen. Mir wäre es lieb, wenn alle zusammen und gleichzeitig in die richtige Richtung steuern. Dann bekommen wir das Schiff auf Kurs! Zur Person Er ist einer der bekanntesten Wettermoderatoren Deutschlands. Diplom-Meteorologe Sven Plöger, geboren 1967 in Bonn, präsentiert unter anderem "Das Wetter im Ersten" für die ARD vor der Tagesschau und in den Tagesthemen vor einem Millionenpublikum. Seit mehr als 20 Jahren steht er als "Wettermann" vor der Kamera. 2009 ist sein erstes Buch zum Thema Klimawandel erschienen: &bdquo;Gute Aussichten für morgen. Wie wir den Klimawandel für uns nutzen können“. Gemeinsam mit Christoph Waffenschmidt, dem CEO der Kinderhilfsorganisation World Vision, hat Plöger im September 2021 zuletzt sein neuestes Buch veröffentlicht - mit dem Titel "Besser machen! Hoffnungsvolle Entwicklungen und Initiativen für eine lebenswerte Zukunft". Er ist seit Januar 2010 offizieller Pate des Kinderhospizes Bethel.

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