Bielefeld/Osnabrück Anzeige wegen Tierquälerei gegen Bielefelder Biologie-Prof

Bielefeld. Osnabrücks Jagdaufseher Reinhold Rethschulte ist aufgebracht. Aufgrund mehrerer markierter, krank oder tot gefundener Mäusebussarde beschuldigt er den Biologen Oliver Krüger, Verhaltensökologie-Professor an der Universität Bielefeld, der Tierquälerei. Seit 2011 fielen Rethschulte im Raum Osnabrück immer wieder Mäusebussarde auf, die mit farbigen Flügel-Schildern aus Plastik markiert waren. &bdquo;Die Befestigungsdrähte dieser Kennmarken waren durch die Spannhaut der Armschwingen gesteckt. Die Vögel sind durch diese verhältnismäßig großen Marken in ihrem Flugverhalten und somit auch auf Beutesuche negativ beeinträchtigt“, erklärt der Jagdaufseher verärgert.Zusammen mit Jäger Jürgen Elstro steht er im Oktober 2021 auf einem Hofgelände in Osnabrück-Gretesch. Elstro hatte die Polizei und Rethschulte als zuständigen Jagdaufseher über einen Mäusebussard-Fund informiert. Als Rethschulte den Hof erreicht, hat Elstro den markierten Greifvogel bereits geborgen: &bdquo;Der Bussard kauerte dort am Boden. Ließ sich einfach von mir aufnehmen. Er ist scheinbar flugunfähig und fast verhungert. Seine Brustknochen sind deutlich zu fühlen, was zeigt, dass er viel zu mager ist.“Der kranke Vogel wurde zur Osnabrücker Artenschutzbetreuungsstation von Wolfgang Herkt gebracht und dort von der auf Greifvögel spezialisierten Tierärztin Birge Herkt untersucht und behandelt. Er war aber bereits so geschwächt, dass sein Leben nicht mehr gerettet werden konnte. &bdquo;In der Regel wiegt ein ausgewachsener Mäusebussard 1 bis 1,4 Kilogramm. Dieses Exemplar brachte nur noch 540 Gramm auf die Waage“, berichtet Rethschulte.Flugturbulenzen wegen der Flügelmarkierungen Dieses Ereignis erinnert ihn an den vorherigen Bussard-Fund im April: &bdquo;Auf einer Wiese in Osnabrück konnte ich einen derartig markierten Greifvogel dabei beobachten, wie er durch die angebrachten Kennmarken beim Fliegen in Turbulenzen geriet. Ein paar Tage später fand ich ihn mit den blauen Marken an seinen Armschwingen verendet in einer Eiche.“ Sechs durch, wie er sagt, die Flügelmarkierung geschwächte oder sogar tote Mäusebussarde konnte Rethschulte in den letzten zehn Jahren dokumentieren. Laut Artenschutzstation Herkt wurden aber noch weitere Bussarde gemeldet oder abgegeben.Nach dem Vorfall im Oktober in Osnabrück erstattete Rethschulte Strafanzeige gegen den Bielefelder Verhaltensforscher Oliver Krüger bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz, sowie das Bundesnaturschutzgesetz und Bundesjagdgesetz.Als Verantwortlichen identifiziert hatte Rethschulte ihn durch Hinweise der Artenschutzstation, der Polizei, sowie einem Vorstandsmitglied des Deutschen Falkenordens, Bund für Falknerei und Greifvogelschutz. Er entdeckte das Video im Internet, indem Krüger sein langjähriges Forschungsprojekt an Mäusebussarden erläutert.Seit mehr als 20 Jahren erforscht Oliver Krüger mit seinem Team, wie Mäusebussarde in unseren Gefilden leben. Dabei liegt der Fokus sowohl auf einzelnen Individuen als auch auf der Entwicklung ganzer Populationen und deren Auswirkungen auf andere Vogelarten, unter anderem vor dem Hintergrund des Klimawandels. Der Verhaltensforscher agiert in einem rund 300 Quadratkilometer großen Beobachtungsraum. Dass dabei Flügelmarken als individuelle Kennzeichnung genutzt würden, sei laut Krüger in der ornithologischen Freilandforschung seit mindestens 50 Jahren üblich.Flügelmarkierung versus Beringung Die Vorteile gegenüber einer Beringung: eine höhere Wiedererkennungs- und Meldewahrscheinlichkeitsrate, sowie bessere Sichtbarkeit aus großen Entfernungen.Den Vorwurf der Tierquälerei weist Krüger zurück. &bdquo;Wir haben die Überlebensraten der flügelmarkierten Bussarde analysiert. Sie liegen im Rahmen oder sogar deutlich über Werten, die die Literatur angibt.“ Außerdem müsste die Langzeitstudie einen Populationsrückgang anzeigen, würden die Markierungen eine negative Beeinträchtigung darstellen: &bdquo;Unsere Bussardpopulation hat sich aber über die letzten 30 Jahre versiebenfacht. Auch Habicht, Uhu und andere Arten verzeichnen Bestandszuwächse.“ Rund 300 Flügelmarken setzt das Bielefelder Forschungsteam pro Jahr ein. Die Sterblichkeitsrate von Greifvögeln läge im ersten Lebensjahr, ob markiert oder unmarkiert, bei rund 50 Prozent. Rethschulte habe sechs geschwächte oder tote Vögel innerhalb der letzten zehn Jahre angegeben. 1.500 Bussarde aber würden die Grundsterblichkeit für diesen Zeitraum abbilden. Zudem seien die gefundenen Tiere teilweise über vier Jahre alt, also für einen Bussard nicht mehr jung.Das Forschungsprojekt sei, genau wie jeder andere Tierversuch, genehmigungspflichtig. Die Bielefelder Forscher bekräftigen, dass von einem Expertenteam aus Tierärzten und Naturschützern geprüft wurde, dass die Flügelmarken nicht gegen Tierschutz und Artenschutz verstoßen.Rethschulte ist der Meinung, dass die regelmäßig verursachten Schäden an den Tieren in keinem Verhältnis zu dem Forschungszweck stehen. Er will daher versuchen, das Projekt zu stoppen.

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