Exklusiver Einblick So beeindruckend sieht die Windelsche Fabrikantenvilla von innen aus

Bielefeld. Versteckt hinter einer hohen Steinmauer und viel Grün, abgeschirmt von den ehemaligen Industrieanlagen der Firma Windel an der Krackser Straße, liegt eine riesige alte Fabrikantenvilla, die allein durch ihre Ausmaße staunen lässt: 240 Quadratmeter Wohnfläche im Erdgeschoss, 200 Quadratmeter im ersten Stock, fünf weitere Zimmer plus Bad unterm Dach und ein ausgebauter Keller. Mit seinem Wohnhaus, von dem er, wie damals üblich, in wenigen Schritten in seiner Firma war, hat sich der Senner Unternehmer Gustav Windel 1914 ein steinernes Denkmal gesetzt. Heute wird nur noch die erste Etage von der Familie bewohnt. Der Besitzer Gustav Windel, 1873 geboren, übernimmt die gleichnamige Bleiche 1894 nach dem Tod des Vaters, der an einer plötzlichen Herzerkrankung stirbt. In den folgenden Jahren entwickelt er den Betrieb mit ursprünglich nur lokaler Bedeutung zu einem über die deutschen Grenzen hinaus bekannten Unternehmen der Textilveredlungsindustrie. Wenige Monate vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs beauftragt er den Bielefelder Architekten Wiethüchter, mit dem er auch privat gut befreundet ist, mit dem Bau seines neuen Wohnhauses für sich, seine Frau und die drei Töchter. 1954 stirbt er auch dort. Auf dem weiten Firmengelände befindet sich heute ein "Öko-Tech-Park" mit vielen kleinen Betrieben. Der Architekt Der Bielefelder Wilhelm Wiethüchter (1874 bis 1957) errichtet 1912 für sich und seine Familie ein Wohn- und Geschäftshaus am Siekerwall 19, das bis heute existiert, mit Architekturbüro im Erdgeschoss. "Er hat vom Schweinestall über Sporthallen, Kirchen, Gaststätten, Villen, Angestellten- und Arbeiterhäusern alles gebaut", berichtet der Senner Autor Hans Schumacher, der über das Wiethüchtersche Schaffen rund drei Jahre akribisch recherchiert hat. Der Architekt und sein Team bauen die Metallwerke Windelsbleiche genauso wie die Kammerich-Werke, sämtliche Windelsche Industrieanlagen inklusive des auffälligen Wasserturms. Und die Villa. Die Villa Die mächtige Fabrikantenvilla ist trotz einiger Umbauten und weitgehend ohne das ursprüngliche Mobiliar - außer den in die oder an die Wand gebauten Schränke - ein wahres Schmuckstück geblieben, das nicht nur durch seine Größe, sondern auch seine "elegante Schlichtheit", so Schumacher, beeindruckt. "Mit seiner strengen Symmetrie, dem Mittelrisalit mit eigenem Giebel, einem Walmdach und der geschwungenen Freitreppe auf der Rückseite" greift der Architekt die künstlerische Formsprache der Heimatschutzbewegung auf. Typisch dafür sind zudem die auffälligen dunkelgrünen Türen und Holzlammellen-Klappläden der Fenster sowie die hellbeige Fassadenfarbe.Die Außenanlagen Rundherum zieht sich ein weitläufiger Park mit alten Bäumen, Teehaus, Steinfiguren, Familienfriedhof, Nutzgarten und Bleichwiese. Die Rückseite wird durch eine schlossähnlich geschwungene Freitreppe mit 13 Stufen geprägt. Beidseitig gliedern sich eingeschossige halbrunde Vorbauten mit zahlreichen Fenstern an, hinter denen sich früher Esszimmer und Wintergarten befanden. Gegenüber dem Vordereingang steht die Bronzeplastik "Der Bleicher" von Ulfert Janssen, 1933 von der Belegschaft zur Jahrhundertfeier der Bleiche gestiftet. Das Untergeschoss Durch die dunkelgrüne Kassetten-Haustür, von zwei Bronzekandelaber eingerahmt, führt der Weg durch den Windfang, einst mit farbig geädertem Marmor verkleidet, in die Diele mit dekorativer Stuckdecke. Deren Marmorpfeiler ebenfalls längst verschwunden sind. Links liegt das Arbeitszimmer des Hausherrn mit Möbeln und Kassettendecke aus Nussbaum und schwarzem Birnenholz. Hier habe sich mit Ausnahme der Lampen in nahezu 80 Jahren kaum etwas verändert, berichtet Schumacher. Auch das angrenzende Esszimmer - mit Original-Möbeln - ist weitgehend erhalten. Auffällig hier sind die Eichenholztäfelungen, die eingebauten eichenen Geschirrschränke, einst mit zitronengelben, von Künstlerhand bestickten Scheibenvorhängen verschönert. Ebenfalls fest mit der Wand verbunden ist das riesige Ölgemälde "Moorlandschaft bei Worpswede" von Fritz Mackensen. Ergänzt wird das Untergeschoss durch eine Küche mit Schwarzweiß-Keramikboden, eine Gästetoilette und prächtig gearbeiteter weiße Garderobe. Das Obergeschoss Im Obergeschoss, das heute noch bewohnt ist, liegen Kinder- und Elternschlafzimmer, zwei Fremdenzimmer, ein Raum zum Ankleiden und zwei Bäder. Fotos von 1915 zeigen den vergangenen Glanz. Sie stammen vom Urenkel der Familie, Christian Meyer-Stork (61), Geschäftsführer der Windel Land- und Forstwirtschaft GmbH & Co KG und Agenturinhaber von Jacques Weindepot an der Detmolder Straße. UDer als textiltechnischer Berater immer noch durch die Welt jettet: "Das lässt einen nicht los." Die Villa werde bis heute für Familienfeiern genutzt, berichtet er. Das Pförtnerhaus Früher hatte das Herrenhaus eine eigene Zufahrt durch handgeschmiedete Tore am Pförtnerhaus, das seit Langem verkauft ist, vorbei. Auch das ist ein Werk von Windels "Hausarchitekten", aus dem Jahre 1915. Drei Jahre später zog hier Gustav Windels Chauffeur mit Familie ein. Der Zugang zu Park und Villa ist heute zugemauert. Hans Schumacher könnte sich vorstellen, dass die nicht denkmalgeschützte Villa ein Museum werden könnte. Und der alte Weg wieder geöffnet würde. Doch dafür müsste einiges investiert werden. Im Vergleich dazu erscheinen die damaligen Baukosten - 15.000 Reichsmark - geradezu als Schnäppchen.

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