Bielefeld Nichts geht mehr: Familie aus Bielefeld trifft schwerer Schicksalsschlag

Bielefeld. Etwa 250.000 Deutsche, darunter 40.000 Kinder, leiden darunter und trotzdem ist die Krankheit ME/CFS den meisten unbekannt. Die Symptome treten plötzlich auf und werden immer stärker. Ein Heilmittel gibt es bisher nicht. Oft wird von chronischer Erschöpfung gesprochen, doch das trifft die Sache nicht annähernd. &bdquo;Wir sind nicht einfach nur erschöpft!“, sagt Britta K. Sie gehört mit ihrer Familie zu den Betroffenen und möchte aus diesem Grund nicht mit vollem Namen in der Zeitung stehen. Mit der NW spricht sie über das Leben mit ME/CFS und warum ausgerechnet Long-Covid ein Hoffnungsschimmer ist. Die Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom ist eine neuroimmunologische Erkrankung, die häufig nach einer Infektionskrankheit auftritt. Durch was genau sie ausgelöst wird, ist bis heute unbekannt. Betroffene leiden an Schmerzen in Muskeln und Gelenken, Konzentrations- und Kreislaufstörungen, grippeähnlichen Symptomen und einer schweren Fatigue. Die Fatigue ließe sich für Außenstehende kaum beschreiben, es sei wie eine &bdquo;absolute, unweigerlich körperliche und kognitive Erschöpfung“, sagt Britta K.Symptome verstärken sich nach körperlicher Aktivität Das Leitsymptom dieser Krankheit ist die Post-Exertional Malaise. Nach körperlicher oder geistiger Aktivität verstärken sich die Symptome. Wenn Erkrankte zu weit über ihre Kräfte gehen, kann es zu einem regelrechten &bdquo;Crash“ kommen. &bdquo;Die Regenerationszeit ist dann höher als normal. Oder man erholt sich davon nicht und sackt wieder eine Stufe tiefer“, sagt Britta K. Für einige ist der Gang ins Bad zu anstrengend, einige schaffen es kaum, sich im Bett umzudrehen. Laut der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS kann ein Viertel aller Patienten das Haus nicht mehr verlassen. Die Bielefelderin ist es leid, dass eine schwere Erkrankung mit simpler Müdigkeit in Verbindung gebracht wird. Es gebe unterschiedliche Stufen der Erkrankung, aber selbst die leichte sei schon sehr belastend. &bdquo;Der Aktivitätsverlust liegt bei mindestens 50 Prozent. Schwerstbetroffene können keine Reize mehr verarbeiten. Also Lärm, Licht oder Berührungen“, sagt K. Auch Sprechen sei zum Teil nicht möglich.Nach einer Bindehautentzündung nicht erholt Britta K. und ihr Mann erfahren von der Krankheit erst, als sich ihr älterer Sohn mit elf Jahren nach einer Bindehautentzündung nicht mehr erholt. &bdquo;Da habe ich die Symptome erkannt, weil ich sie auch seit Jahren habe. Ich bin nicht so stark betroffen und es kam immer in Schüben. Aber es geht schleichend bergab“, sagt sie. Sie vermutet, dass sie im Jugendalter erkrankt ist. Bei körperlichen Aktivitäten konnte sie nie mithalten. Zwei Jahre später zeigt auch ihr anderer Sohn im Alter von zehn Jahren Symptome. Grund könnte ein Magen-Darm-Infekt gewesen sein. &bdquo;Beide waren topfit und haben Leichtathletik gemacht. Von heute auf morgen wurden sie einfach aus dem Leben gerissen.“ Dass es in einer Familie mehrere Erkrankungen gibt, sei nicht ungewöhnlich. Britta K. kenne mehrere Familien, bei denen oft die Mutter und die Kinder betroffen sind. Worin der Zusammenhang besteht, ist bis heute unklar.Mittlerweile sind ihre Söhne 18 und 20 Jahre alt. Sie verlassen ihre Zimmer nur noch selten und dann auch nur im Rollstuhl oder mit Liegetransport. Alle wichtigen Phasen und Erlebnisse im Jugendalter haben sie verpasst. Treffen mit Freunden waren vom Moment der Erkrankung an nicht mehr möglich und auch ihren Schulabschluss absolvierten sie via Homeschooling. &bdquo;Uns war es wichtig, dass sie während der Krankheit so weit wie möglich kommen. Aber im Rahmen ihrer Kräfte. Und wenn sie dann gesund sind, können sie da wenigstens anknüpfen“, sagt Britta K.Ärzte kennen die Krankheit nicht Aber ob sie je wieder gesund werden, steht noch in den Sternen. Die meisten Ärzte kennen die Krankheit nicht, sind überfordert, sagt K. Symptome können gemildert werden, aber auch das klappt nur in geringem Maße. Der bisherige Forschungsstand lässt zu wünschen übrig. Bisher fehle ein validierter Biomarker, der die Erkrankung diagnostiziert. Die Diagnose kann vorerst nur mittels klinischer Kriterienkataloge erstellt werden. Zwei Ärztinnen aus Berlin und München gehören zu den wenigen, die sich mit der Krankheit befassen, die seien aber so überlaufen, dass sie nur noch Patienten aus der Umgebung behandeln würden, sagt Britta K. Ausgerechnet Long-Covid könnte endlich Fortschritte in der Forschung bringen. Die Symptome, die nach einer akuten Covid-19-Erkrankung auftreten und Wochen oder Monate anhalten können, ähneln denen einer ME/CFS-Erkrankung sehr. &bdquo;Es sind schon einige mit Long-Covis infiziert worden, das dann zu ME/CFS übergegangen ist. Dadurch geht auch die Forschung an ME/CFS voran - noch nicht genug, aber voran“, sagt Britta K. Die Uniklinik Erlangen sammle jetzt Daten von ME/CFS-Patienten und würde eine Forschung betreiben wollen, doch der Bund stelle kein Geld zur Verfügung. &bdquo;Das ist ein Riesenskandal, dass wir die Forschung zu unserer Genesung selbst auftreiben sollen“, sagt die Bielefelderin. 800.000 Euro werden benötigt, die mit einem Fundraising gesammelt werden sollen. Unter www.wir-fordern-forschung.org kann sich jeder Spendebereite beteiligen. Petition holt 95.000 Unterschriften Ende vergangenen Jahres gab es aber noch einen kleinen Erfolg für ME/CFS-Patienten. Vier Erkrankte richteten eine Petition an den Deutschen Bundestag ein. 50.000 Unterschriften brauchten sie, damit eine öffentliche Anhörung in einer Sitzung des Petitionsausschusses stattfindet. Sie fordern die Versorgung, Forschung und politische Unterstützung für ME/CFS-Betroffene. Am Ende wurden es mehr als 95.000 Unterschriften, unter anderem von einigen Prominenten, wie Jan Josef Liefers, Smudo, Bielefelder Ralph Ruthe und die Band Randale. Am 14. Februar fand die Anhörung über einen Livestream statt. Betroffene möchten an die Ärzte appellieren, dass jeder die Fortbildung zum Thema ME/CFS und Long-Covid auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS wahrnimmt. Informationen finden sie unter www.mecfs.de. &bdquo;Wir haben ohne Ärzte, die sich mit der Erkrankung befassen, keine medizinische Versorgung. Falsche Behandlungen führen zu weiteren Zustandsverschlechterungen. Das muss endlich ein Ende haben“, sagt Britta K.

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