Hospizarbeit in Bielefeld Bielefelder bricht nach Tod der Mutter zusammen: Hier gibt es Hilfe

Bielefeld. Der Tod der geliebten Mutter ist mehr als zwei Jahre her, dennoch befindet sich Oliver Stief noch immer in tiefer Trauer. &bdquo;Wir hatten ein sehr enges Verhältnis, ich habe ihr viel zu verdanken“, sagt der Sohn über die Mutter, die 87-jährig an einem langwierigen Lungenleiden starb. Sein einziger Trost sei, dass sie vor der Coronakrise gestorben ist. So habe er sie immerhin beim Sterbeprozess im Krankenhaus intensiv begleiten können, am Ende rund um die Uhr. Danach aber sei er völlig zusammengebrochen, berichtet der Bielefelder. &bdquo;Sie müssen abschließen“, rät die Hausärztin, &bdquo;du musst endlich loslassen“, finden Freunde und Bekannte, sogar Menschen in der Rehaklinik mit dem Schwerpunkt Trauer sagten das, als Stief dort stationär aufgenommen wurde.Viele Trauernde müssen ihr Leben neu ausrichten Diesen Umgang mit trauernden Menschen empfinden viele Betroffene als belastend, setzt er doch einen willkürlichen Endpunkt für noch &bdquo;legitime“ Trauer fest, einen Zeitpunkt, ab dem man &bdquo;damit durch“ sein müsse, ab dem Trauer nicht mehr nachvollziehbar erscheint. &bdquo;Das hat mich ebenso belastet, wie die Trauer selbst“, berichtet der 55-Jährige, der auch auf der Arbeit in einem großen Pflegeheim für seinen offenen Umgang mit der Trauer um seine Mutter kritisiert worden sei. Trauer sei Privatsache und habe auf der Arbeit nichts zu suchen, habe man ihm gesagt. &bdquo;Dabei gibt es gerade bei älteren und hochbetagten Menschen, die selbst schon viele Verluste erlebt haben, ein großes Bedürfnis nach wertschätzenden Gesprächen über Sterben und Tod“, hat Stief beobachtet."Wir bieten Menschen einen geschützten Raum" In der Trauergruppe des Hospizdienstes des Johanneswerks ist der Umgang mit Trauernden anders. Hier hat jede Form des Trauerns um einen geliebten Menschen ihren Platz. Rosemarie Schlemmer, Pastorin im Ruhestand, und Petra Kleine-Horst leiten diese Gruppen ehrenamtlich: Zweimal im Jahr, im Frühling und im Spätherbst, geht ein solches Angebot mit festem Teilnehmerkreis an den Start – alle 14 Tage treffen sich bis zu zehn Trauernde, acht Termine gibt es. Aktuell erstreckt sich das Altersspektrum der Besucher von 18 bis 86 Jahren. &bdquo;Zunächst hatte ich Vorbehalte gegenüber einer so großen Altersspanne“, bekennt Schlemmer. Dann aber habe sie gesehen, wie gut die Teilnehmer einander zuhören, sich gegenseitig stärken. &bdquo;In der Trauer sind letztlich alle gleich. Viele müssen ihr Leben neu ausrichten“, ergänzt Petra Kleine-Horst.&bdquo;Wir bieten den Menschen, die einen Verlust erlitten haben, einen geschützten Raum, die Möglichkeit des Austauschs und des voneinander Lernens“, so Schlemmer. Sie dürften erleben, dass sie in ihrem Empfinden nicht allein sind, keine Exoten, dass es kein Richtig und kein Falsch gebe bei der Trauerbewältigung.Nur fünf Tage von der Diagnose bis zum TodJedes Treffen steht unter einem anderen Thema, neben dem Austausch über persönliches Erleben gebe es Stärkendes, in die Zukunft Weisendes. Schlemmer und Kleine-Horst bieten Geschichten und Gedichte an, zudem immer eine schön gestaltete Raummitte – mit Symbolen als Kraftquellen, schöne Steine, Bilder und Skulpturen, Blumen, Kerzen. Die Teilnehmer sitzen im Kreis um diese Mitte, der Blick müsse nicht ins Leere gleiten.So sei das auch mit der Trauer: &bdquo;Frau Schlemmer hat uns von einem Haus erzählt, das viele Zimmer hat. In der Trauer ist ein neues hinzugekommen, in das man immer wieder hineingehen, das man aber auch wieder verlassen kann“ – diese bildhafte Deutung sei für ihn sehr hilfreich, sagt Stief, der den Umgang mit Tod und Sterben in unserer modernen Gesellschaft &bdquo;sehr bizarr“ findet. Vom Tod des besten Freundes wurde Gina Stepputtis vor einigen Jahren regelrecht überrannt. &bdquo;Von der Diagnose Lungenkarzinom bis zum Tod blieben uns nur fünf Tage“, erinnert sie sich. Ein rasanter Verlauf zwischen dem Lernen des Umgangs mit der Morphiumspritze für zuhause bis zur schweren Lungenentzündung: &bdquo;Ich habe eigentlich nur noch funktioniert.“ Auch danach, denn nach der Mitorganisation der anonymen Bestattung, die der Freund sich gewünscht hatte, verhinderte ein Pflegefall in der Familie eine angemessene Trauerarbeit. Das sei ihr Monate später heftig auf die Füße gefallen.Auch sie habe in der Trauergruppe im Haus Daheim am Johannesstift, zu der sie sich im letzten Frühjahr angemeldet hatte, wieder Stabilität zurückgewonnen. Stepputtis schätzt zudem das Angebot einer religiösen Komponente in der Trauerarbeit dort."Wir sind hier nicht durchgängig traurig und am Weinen" Hilfreich war für sie offenbar auch: &bdquo;In seinem Sterbeprozess haben mein Freund und ich uns alles sagen können, da ist nichts übrig geblieben.“ Schlemmer und Kleine-Horst legen Wert darauf, dass ihre Arbeit mit den Trauernden nicht allein dem Rückblick, der Verarbeitung gewidmet ist. In der zweiten Hälfte ihrer Begleitung werde der Blick auf die Zukunft gerichtet, die Frage gestellt, was gibt Kraft, was möchte ich lernen, einüben. &bdquo;Wir sind hier nicht durchgängig traurig und am Weinen“, räumt sie mit einem Vorurteil auf, &bdquo;manchmal treffen sich die Teilnehmer nach dem Ende der Gruppe weiter, es entstehen Freundschaften.“ Aber noch etwas hat die Pastorin beobachtet: &bdquo;Für besonders schwere Trauerfälle, wie beim Verlust eines Kindes oder nach einem Suizid, sind wir nicht die richtige Gruppe. Diese Betroffenen brauchen eine besondere Begleitung.“Für Oliver Stief hat die Zeit unterdessen ein selbstbewusstes Fazit gebracht, er fühlt sich nicht mehr &bdquo;falsch“ in seinem Empfinden: &bdquo;Trauer ist keine Krankheit, dagegen gibt es keine Medikamente. Die beste Trauerarbeit ist hier“, sagt er und lächelt.Weitere Infos auf der Seite des Trauernetzwerkes Bielefeld: www.trauer-bielefeld.de.

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