Besonderer Blickfang Bielefelds bekanntestes Fachwerkhaus wird ungewöhnlich farbenfroh saniert

Bielefeld. Eine Farbe ist es, die dem Betrachter signalisiert: Hier ist was neu. Ein leuchtendes Grün prägt die Fassade das 1823 erbauten Fachwerkhauses im Botanischen Garten. Das wohl bekannteste und meistfotografierte Fachwerkhaus der Stadt war in die Jahren gekommen, es musste kernsaniert werden. Nun ist es fast fertig. Ende des Frühjahrs soll die Sanierung beendet sein. Dirk Begemann-Hertel ist beim städtischen Immobilienservicebetrieb verantwortlich, zur augenfälligen Farbe sagt er: "Wir haben sie damit an den alten Bestand angeglichen." Ein Blick zurück über Jahrzehnte. Was aber original vor fast 200 Jahren farblich dominierte, das wisse heute wohl niemand mehr. Fakt ist: Kam das Fachwerkhaus bis zu seiner vor fast einem Jahr begonnenen Sanierung eher dezent daher, so war das früher vermutlich anders: "Damals war es oft bunter", sagt Begemann-Hertel. 1,2 Millionen Euro Baukosten Froh sind er und sein Chef, Reinhold Peter, dass die Baukosten von gut 1,2 Millionen Euro relativ genau eingehalten werden konnten. Früh abgeschlossene Verträge hätten da sehr geholfen. Die in der Baubranche derzeit grassierenden Preissteigerungen habe die Stadt so weitgehend nicht mitgenommen. Von der Gadderbaumer SPD war im Frühjahr Kritik an den Baukosten gekommen, es war von Steuergeld-Verschwendung die Rede. Da der historische Grundriss des Hauses nicht überliefert ist, wurde die vorhandene Substanz erneuert. Peter: &bdquo;Einige Eichenbalken waren nicht mehr so tragfähig, wie sie sein sollten. Das Gebäude musste komplett entkernt werden." Und es erhielt einen neuen Lehmputz. Eine Zwischendecke im bisher sehr niedrigen Innenbereich ist weggefallen. Bald können die acht Gärtner um Leiter Rüdiger Ahrend, die monatelang in Containern (oder natürlich draußen) arbeiten mussten, wieder einziehen. Die Samen, die sie hier gewinnen, trocknen, sortieren und an andere Gärten verschicken, sollen künftig auf dem Dachboden gelagert werden. Postkartenmotiv Für die Stadt ist damit eines ihrer Postkartenmotive wieder bereit für die gärtnerische Nutzung und touristische (Foto-)Verwertung. Doch es gibt auch einzelne kritische Stimmen. So schreibt ein NW-Leser anonym: "Da traut man seinen Augen nicht - Fassade und Haus werden fachgerecht restauriert und am Ende setzt man ein Lagergebäude vor diese Fassade." Gemeint ist ein Dusch- und Toilettenhaus (für gut ein Fünftel der Investitionssumme), welches auf der Rückseite dicht am Fachwerkhaus neu aufgebaut worden ist. Der Leser ärgert sich: "Da wird der Besucher mit dem Anblick hübscher Klofenster beglückt." Sein Fazit: "Architektur kann Bielefeld einfach nicht." Kritik, die bei Begemann-Hertel Kopfschütteln auslöst. Es gebe gute Gründe für Nähe des Neubaus zum Fachwerkhaus und auch die Optik des kleinen Neubaus. "An etwa der gleichen Stelle stand auch vorher ein Gebäude, seit Jahrzehnten." Die Versorgungsleitungen kämen hier leider nicht von der Seite, sondern von unten - so dass die Position des Gebäude definiert gewesen sei; außer, wenn Geld kein Rolle spielen würde und die Leitungen aufwändig verlegt worden wären. Bei der Frage der Ästhetik habe man ebenfalls auch auf das Geld der Steuerzahler geachtet, weder sei ein Kunststoff-Fachwerk als Nachahmung des Hauptgebäudes wünschenswert gewesen noch eine sehr moderne Optik. Klo-Häuschen-Debatte Es wurde ein Mittelweg. Einer, der nicht historisierend ist. "Man sollte auch sehen, dass es eben ein neues Gebäude ist", so Bauleiter Begemann-Hertel. Er findet: "Die Toilette für die Mitarbeiter sollte kein Kunstwerk werden - und Kunststoff-Fachwerk wäre ja wohl auch nur noch putzig gewesen." Insofern sei er zufrieden mit der Lösung - und dem nun sehr auffälligen, die Optik dominierenden Fachwerkhaus. Früher lebten in diesem übrigens auch die Leiter des Botanischen Gartens. Jetzt waren in ihm die Lemgoer Altbauspezialisten von Kramp und Kramp aktiv. Innen wie außen. Die größten Veränderungen werden aber nicht die Bürger, sondern die Mitarbeiter des 1912 gegründeten Botanischen Gartens innen erleben. Den Bürgern bleibt der Anblick des in den 20er Jahren in den Garten versetzten westfälischen Fachwerkhauses. Apothekergarten folgt Ein Café in ihm - immer wieder einmal diskutiert - wird nicht kommen, aber der Pavillonbereich neben dem Haus steht den Besuchern in Kürze wieder offen. Zum Pause machen, fürs Genießen von mitgebrachtem Essen und Trinken, als Regenschutz. Und natürlich, um in Ruhe den Blick auf das frisch sanierte Schmuckstück zu werfen. Und dann ab dem Sommer auch auf den neuen Apothekergarten, für den die Bauarbeiten in vollem Gange sind.

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