Medizinische Versorgung In letzter Minute: Junge Mutter rettet Bielefelder Kinderarztpraxis

Bielefeld. Er habe sich schon darauf eingestellt, zum Jahresende schließen zu müssen. Doch jetzt bleibt die Kinderarztpraxis an der Braker Straße, die Franz Storms (66) über 25 Jahre lang geführt hat, doch bestehen. Mit Katharina Emptmeyer (35), einer gebürtigen Brakerin und Mutter zweier Kinder, wurde doch noch eine Nachfolgerin gefunden. Aber auch nur, weil Allgemeinmediziner und Internist Tim Niedergassel vom Medicum Brake, das etwa 150 Meter Luftlinie entfernt liegt, einsteigt. Er übernimmt Tätigkeiten wie Abrechnungen und Buchhaltung. Eine eigene Praxis, die wolle heute kaum noch jemand, sagt Storms. Auch, weil der Verwaltungsaufwand mit den Jahren immer weiter zugenommen habe. Das mache einfach auch keinen Spaß – und sei nicht das, um was es einem als Kinderarzt eigentlich gehe. Die praktische Arbeit in der Praxis sei schon tagesfüllend. &bdquo;Es wäre ein Desaster gewesen, wenn die einzige Kinderarztpraxis hier in Brake geschlossen hätte", sagt Niedergassel, der 2018 die Praxis seines Vaters übernommen und dort das Medicum Brake gegründet hat. Stundenpensum jenseits einer 40-Stunden-Woche Zwölf Ärzte, darunter auch einige Mütter in Teilzeit, arbeiten dort mittlerweile. Einer ist Emptmeyers jüngerer Bruder. So sei der Kontakt entstanden. Woran scheiterts, dass kaum einer die Nachfolge antreten will, sei die Frage gewesen. Ganz klar: vor allem am hohen Verwaltungsaufwand, der noch on top zur ohnehin schon anspruchsvollen Tätigkeit noch dazukommt. Ein Stundenpensum jenseits einer 40-Stunden-Woche, das wäre auch für Emptmeyer nicht in Frage gekommen. &bdquo;Aber so ist es für mich jetzt eine tolle Möglichkeit, mich in der Praxis zu verwirklichen, ohne dass ich komplett selbstständig sein muss", sagt die 35-Jährige, die in Brake aufgewachsen ist. Durch das Modell könne sie zudem Beruf und Familie vereinbaren. Schon als Schülerin an der Marienschule habe sie Kinderärztin werden wollen, seinerzeit dann auch schon ein Praktikum bei Storms gemacht. &bdquo;Ich nicht, aber mein jüngerer Bruder war hier auch früher als Patient", berichtet Emptmeyer, die in Münster Medizin studiert, in einer Kinderarztpraxis in Osnabrück und in der Kinderklinik am Klinikum Herford gearbeitet hat und mit ihrer Familie auch in Herford wohnt. Coronaschutzimpfungen für Kinder Storms freut sich, dass seine insgesamt etwa 1.400 jungen Patienten sich jetzt doch keinen neuen Kinderarzt suchen müssen. Rund 20 Kinderärzte gebe es stadtweit. Die nächsten in Jöllenbeck, Schildesche und Heepen. &bdquo;Aber viele sind voll, nehmen gar keine neuen Patienten mehr auf", berichtet der 66-Jährige, der ebenfalls in Herford wohnt. Viele seiner Patienten seien ihm über die Jahre ans Herz gewachsen. Einige, die er schon als Baby untersucht habe, kämen jetzt schon mit ihren eigenen Kindern zu ihm. Als Rentner wird er an zwei halben Tagen in der Woche seine Nachfolgerin unterstützen. Am Freitag ist sein letzter Tag als Inhaber. Dann ist die Praxis für drei Wochen geschlossen und wird renoviert. Nach 25 Jahren sei das notwendig. Nach den Weihnachtsferien, am 10. Januar, werde dann wieder geöffnet. Coronaschutzimpfungen für Kinder seien dann ein Thema. &bdquo;Da haben wir jetzt schon sehr viele Anfragen", berichtet Storms. Ansonsten hätten sich die Probleme der jungen Patienten in den 25 Jahren schon verändert. Auf ihnen würde heute sehr früh recht viel Druck lasten. In Kitas und Schulen werde der Blick häufig auf die Defizite gerichtet. Das sei bedenklich. Gut im Gespräch zu sein mit den Familien, das ist Emptmeyer wichtig. &bdquo;Ganzheitlich zu schauen, was den Kindern und Eltern Sorgen macht", sagt die Mutter zweier Töchter (5 und 8). Zum Auftanken gehe sie gern raus in die Natur, mit ihren Kindern und dem Hund. Und segeln. &bdquo;Wir sind fast jedes Wochenende am Dümmer, haben dort einen Wohnwagen", berichtet die 35-Jährige. Das sei ihre Kraftquelle. Kinderarztpraxis suche aktuell noch Unterstützung Zwei Vollzeitkräfte, medizinische Fachangestellte mit kaufmännischer Zusatzausbildung, arbeiten im Medicum Brake an der Waagestraße als Praxismanagerinnen. Das Medicum übernimmt jetzt auch die Verwaltungsaufgaben für die Kinderarztpraxis an der Braker Straße, im Hintergrund auch den Kassensitz, der für das neue Modell geteilt wurde. Das Konzept hält Niedergassel für zukunftsträchtig – und kann es sich auch für andere Praxen vorstellen. Die Kinderarztpraxis suche aktuell noch Unterstützung: eine medizinische Fachangestellte oder Kinderkrankenschwester.

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