Friedrich Straetmanns (Linke): „Renten anheben und Kultur bezuschussen“

Bielefeld. Wie wirken sich Entscheidungen des Bundestages auf die Stadt aus? Was kann Berlin für Bielefeld tun? Vor der Bundestagswahl am 26. September machen sechs Kandidatinnen und Kandidaten von im Rat vertretenen Parteien ihre Positionen zu wichtigen Bielefelder Themen deutlich. Das sind die Standpunkte von Friedrich Straetmanns (Linke): Migration Bielefeld beteiligt sich am Bündnis &bdquo;Sichere Häfen in Europa“. Die Städte erklären sich dazu bereit, aus Seenot gerettete Flüchtlinge aufzunehmen. Unterstützen Sie dieses Anliegen? &bdquo;Natürlich. Gerade als Christ ist es mir sehr wichtig, Mitmenschlichkeit zu praktizieren“, betont Straetmanns. Pflege Bethel hat eine eigene Pflegeschule – zu hören ist, dass kaum noch jemand der neuen Pfleger länger als ein paar Jahre &bdquo;durchhält“. Was kann getan werden? Straetmanns nennt dazu drei Punkte: Gehälter anheben, Arbeitsbedingungen durch mehr Personal verbessern und private Alten- und Pflegeheime in kommunale Hand und halböffentliche Träger überführen. Private Anbieter hätten in diesem Markt nichts verloren, sagt der Linke. Kasernen Für drei Jahre soll in der Catterick-Kaserne die Ausbildung von Bundespolizisten verstärkt werden. Ist davon auszugehen, dass das Ausbildungszentrum Bielefeld danach wieder verlässt? Und wie sinnvoll ist die Befristung auf drei Jahre? Straetmanns ärgert sich über die Befristung, weil die Bielefelder sofort bezahlbaren Wohnraum brauchten, der auf dem Gelände entstehen könne. &bdquo;Ich gehe davon aus, dass die Kasernen in drei Jahren der Stadt zur Verfügung stehen“, sagt er. Sicherheit Was kann sich bundespolitisch in Sicherheitsfragen verbessern, damit das Sicherheitsgefühl auf dem Kesselbrink und anderen Problemplätzen der Stadt steigt? Bielefeld sei eine der sichersten Großstädte in Deutschland, so Straetmanns. Er nehme allerdings die Ängste der Bevölkerung wahr und auch sehr ernst. &bdquo;Daher müssen wir an kritischen Stellen der Stadt genau hinschauen. Hier sind Polizei und soziale Dienste der Stadt gefragt“, sagt er. Er ist überzeugt, dass ein gutes ordnungsbehördliches und sozialarbeiterisches Konzept geeignet ist, das Sicherheitsgefühl grundlegend zu bessern. Steuern Täglich pendeln 40.000 Bielefelder in Nachbarkommunen zur Arbeit. Wie soll das künftig steuerlich angerechnet werden? &bdquo;Wir müssen die Angebote des ÖPNV verbessern und billiger machen, damit ökologisch gependelt werden kann“, sagt Straetmanns. Wo aber jemand auf dem Lande wohne und keinen Bus oder keine Bahn zur Verfügung habe, müssten die Fahrtkosten zur Arbeit steuerlich als Aufwendungen berücksichtigt werden. Wohnen Günstiger Wohnraum ist in Bielefeld knapp. Wie erhält die Stadt künftig Unterstützung beim sozialen Wohnungsbau? Das ist ein Thema, das Straetmanns seit Jahren auf Bundesebene durch Verhandlungen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die auch für die früheren britischen Kasernen zuständig ist, beschäftigt. Außerdem müsse die Bundesregierung Kommunen wie Bielefeld durch Fördermittel unterstützen. &bdquo;Die müssen zum Bau von städtischen Wohnungen führen, die dann auch in kommunalem Besitz verbleiben“, sagt er. So würden Steuermittel in öffentlicher Hand behalten. Bildung Die Coronakrise hat auch in Bielefeld Ungleichheiten im Bildungssystem verstärkt. Was wollen Sie gegen diese Entwicklung tun? Bildung sei überwiegend ein Thema für das Land NRW. Der Bund könne Fördermittel für die Digitalisierung weiterhin zur Verfügung stellen und Städte entlasten, so Straetmanns. Die Linke sorge sich, dass bildungsfernere Schichten durch die Corona-Krise weiter abgehängt würden. Um das zu verhindern, müsse die Zahl der pädagogischen Fachkräfte an den Schulen weiter erhöht werden. Tempolimit Wie stehen Sie zu Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts? &bdquo;Ich bin ein Fan dieser Idee. Wer, wie ich, als Radfahrer oder als Fußgänger unterwegs ist, weiß, dass niedrigere Geschwindigkeiten erheblich zur Vermeidung von Unfällen beitragen“, sagt Straetmanns. Ausfallstraßen wie die Jöllenbecker, Detmolder oder Herforder Straße sollten aber weitgehend bei Tempo 50 bleiben. Verkehr Aus Bielefelds Altstadt soll eine Wohlfühloase ohne Autos werden. Der Verkehrsversuch läuft aktuell. Könnte die Bundespolitik von Bielefeld lernen? Friedrich Straetmanns zeigt sich überzeugt, dass eine Erhöhung der Freizeit- und Aufenthaltsqualität in der Altstadt auch dem Konsumverhalten nicht schaden wird. Klima Das Bielefelder Klimabündnis fordert: Bielefeld soll bis 2035 auf 100 Prozent erneuerbare Energien umsteigen. Was halten Sie davon? &bdquo;Leider viel zu spät wird die Geschäftspolitik der Stadtwerke auf erneuerbare Energien umgestellt. Hier gab es über viele Jahre ein verbohrtes Festhalten an umweltschädlicher Stromerzeugung“, meint Straetmanns. Seit die Stadt die Stadtwerke wieder zu 100 Prozent im Besitz habe, könne die ökologische Stromerzeugung vorangebracht werden. &bdquo;Der Zeitpunkt 2035 ist fast zu spät. Wir sollten ernsthaft daran arbeiten, früher zu 100 Prozent erneuerbarer Energiegewinnung zu kommen“, sagt er. Rente Eine Bielefelder Friseurin geht 2025 in Rente. Dann hat sie 52 Jahre gearbeitet, hat Kinder erzogen und ihr Eltern gepflegt. Sie erhält 636,06 Euro Rente. Ist das gerecht? &bdquo;Hierzu hat Die Linke ein durchfinanziertes Rentenkonzept vorgelegt. Wir müssen das Rentenniveau auf mindestens 53 Prozent des Durchschnittsverdienstes anheben“, sagt Straetmanns. &bdquo;Wir stehen hier vor einer dramatischen Welle an Altersarmut“, erklärt er. Daher wolle er gerade bei diesem Thema weiter politisch Druck machen. Altersarmut In unserer Stadt beziehen rund 3.000 Rentner eine Grundsicherung. Tendenz steigend. Wie wollen Sie das Massenphänomen Altersarmut entgegenwirken? Straetmanns verweist auf das Konzept zur Erhöhung der Renten und sagt: &bdquo;Es ist entwürdigend zum Amt gehen zu müssen, obwohl man über Jahrzehnte einer ehrlichen Arbeit nachgegangen ist. Das macht mich wütend und diese Wut ist mein Antrieb, mich für diese große Gruppe von Menschen einzusetzen.“ Kultur Der Kultursektor ist einer der am härtesten von den Einschränkungen durch die Anti-Coronamaßnahmen betroffenen Wirtschaftszweige. Welche Vorschläge zur Neubelebung der Kultur haben Sie? Ohne Veranstaltungen würden die Branchen nicht überleben. &bdquo;Vielleicht wäre ein Bundesprogramm zur Bezuschussung von Kulturveranstaltungen für einen begrenzten Zeitraum eine Lösung“, schlägt er vor. Eine solche Bezuschussung würde sich auch deshalb empfehlen, da es um den Erhalt von Arbeitsplätzen auf und hinter der Bühne gehe. ZUR PERSON Friedrich Straetmanns (60) ist für Die Linke Abgeordneter des Bundestages. Er ist Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Für seine Fraktion ist er als Justiziar tätig. Straetmanns kandidiert auf Platz 10 der NRW-Liste der Linken. 2017 hatte Platz 12 für den Einzug ins Parlament gereicht. Straetmanns hat in Bielefeld Jura studiert. Vor seiner Wahl war der evangelische Christ seit 1994 Sozialrichter in Detmold sowie Vorsitzender eines kirchlichen Verwaltungsgerichts. Er ist außerdem Mitglied der Synode der EKD. Das ehemalige SPD-Mitglied kam 2007 über die WASG zur Linken. Straetmanns wurde in Bielefeld geboren und hat drei Kinder.

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