Bielefelder Frauenpreis 2020 (V) Welt ohne Müll: FH-Professorin kämpft für Nachhaltigkeit in der Industrie

Bielefeld. Eva Schwenzfeier-Hellkamp ist eine Ausnahmeerscheinung: weil sich die Ingenieurin für ein Fach begeistert, das noch immer eine Männerdomäne ist. Weil sie in der Elektrotechnik an der Fachhochschule Bielefeld die einzige Frau mit Professoren-Status ist. Weil sie dort mit Forschergeist und Idealismus für Nachhaltigkeit kämpft. Weil sie obendrein als Spitzenfrau den Verein Deutscher Ingenieure (VDI) OWL modernisiert hat. Und weil sie dabei – auch als zweifache Mutter – noch die Zeit findet, junge Frauen zu fördern. Bei der 48-Jährigen selbst klingt das zusammengefasst einfach so: &bdquo;Ich möchte meinen Kindern eine Welt hinterlassen, die noch bewohnbar und vielleicht ein bisschen besser geworden ist.“ Die Chancen stehen gut, dass ihr das gelingen wird. Sie zog die Fachhochschule der Universität vor Denn als FH-Professorin für Informationstechnik formt Schwenzfeier-Hellkamp heute die Technik-Talente von morgen. Sie leitet den Studiengang Regenerative Energien und ist Leiterin des Instituts für Technische Energie-Systeme (ITES), das sie selbst mit aufgebaut hat. &bdquo;An diesen beiden Aufgaben hänge ich mit Herzblut“, sagt sie, die trotz so vieler großer Themen und Posten die Bodenhaftung nicht verloren hat. Forschung im Elfenbeinturm, das ist nichts für die Oerlinghauserin. Sie will das Leben praktischer, cleverer, sicherer und vor allem ökologisch nachhaltiger machen. Jetzt. Deshalb habe sie beim Wechsel aus der Industrie die Fachhochschule einer Universität vorgezogen, berichtet die ehemalige Produktrisiko-Managerin. Der Kontakt zu Unternehmen sei hier enger, die Arbeit für sie sinnstiftender. Sie forscht nach dem perfekten Wohlfühl-Licht für Milchkühe &bdquo;Der größte und schönste Erfolg für mich ist, wenn das, was wir entwickeln, direkt in der Industrie Anwendung findet.“ Wie das Projekt, bei dem Schwenzfeier-Hellkamp mit ihren Studierenden nach dem perfekten Wohlfühl-Licht für Milchkühe forschte. Der Kuhstall wurde zum Labor. Geradezu ins Schwärmen kommt die Expertin, wenn sie über &bdquo;Zirkuläre Wertschöpfung“ spricht. Die Vision: eine Welt, in der Rohstoffe, Materialien, Module in lebenslangen Kreisläufen immer wieder neu verbaut und aufgesplittet werden. Eine Welt ohne Müll. &bdquo;Das fasziniert mich.“ Damit diese Vision eine Chance hat, Wirklichkeit zu werden, hat die Professorin ein neues Modul etabliert, das &bdquo;Zirkuläre Wertschöpfung“ auf den Lehrplan der FH-Studierenden bringt. Und damit in die Köpfe der Ingenieure, Manager, Führungskräfte von morgen. &bdquo;Ich komme aus einer ganz normalen Arbeiterfamilie" Ein interdisziplinäres Projekt zum selben Thema rief sie in ihrer Zeit als VDI-Vorsitzende ins Leben, brach mit alten Strukturen. &bdquo;Mein Ziel ist es, Impulse in die Industrie zu geben.“ Ob als Wissenschaftlerin, Dozentin, VDI-Bezirkschefin oder Verfechterin von Frauenförderung in den MINT-Fächern: Schwenzfeier-Hellkamp überzeugt am liebsten, indem sie Fakten schafft und Lösungen findet. So gründete sie auch einen regionalen &bdquo;VDIni-Club“, um bei Mädchen und Jungen früh ein Interesse für Technik und Naturwissenschaften zu wecken. Sie initiierte das Programm &bdquo;Role Models“ mit, das junge Frauen mit weiblichen Vorbildern zusammenbringt, die für den Ingenieurberuf begeistern. Und sie startete eine VDI-Projektgruppe mit dem Ziel, geflüchtete Ingenieure zu integrieren. Das alles tat sie ohne großes Tamtam. Die gebürtige Ostpreußin ist eine, die anpackt: sachlich, freundlich, mit viel Begeisterung und uneitel. &bdquo;Ich komme aus einer ganz normalen Arbeiterfamilie, in der ich die erste Akademikerin bin.“ Die große Geste, der prominente Auftritt sind nicht ihr Ding. "Ich erlebe bei vielen Studentinnen eine völlige Fehleinschätzung der eigenen Fähigkeiten“ Doch zu viel Understatement, das weiß sie auch, kann zum Fallstrick werden. Gerade für junge Frauen. &bdquo;Ich erlebe bei vielen Studentinnen eine völlige Fehleinschätzung der eigenen Fähigkeiten.“ Nicht Fachwissen oder Talent fehlen, sondern Selbstbewusstsein. &bdquo;Vorbilder sind da wichtig“, weiß die Professorin. Sie selbst ist ein solches Vorbild: Als &bdquo;Role Model“ des VDI OWL trifft sie Promotionsstudentinnen an der Universität Paderborn, spricht mit ihnen auch über die Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Dass diese eine der größten Herausforderungen ist, weiß sie aus eigener Erfahrung. &bdquo;Man ist hin- und hergerissen. Ich möchte meine Kinder nicht nur wegorganisieren.“ Dabei hat Schwenzfeier-Hellkamp einen starken Verbündeten: Ihren Ehemann, mit dem sie sei 1992 zusammen ist. &bdquo;Ohne ihn wäre beides, Familie und Beruf, so gar nicht möglich gewesen.“ Ihr Mann passte seine Arbeit ihren Plänen an, nahm zweimal Elternzeit, verpasste selbst einen Karrieresprung. &bdquo;Er ist entscheidend.“

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