Bielefeld So stellt ein Verein jetzt günstigen Wohnraum in der Stadt sicher

Bielefeld. Das Angebot an Wohnraum ist mau. Mieten steigen ständig. Menschen finden keine Wohnung. Auch in Bielefeld. In der Stadt gibt es ein Projekt, dem es laut Experten gelingen kann, langfristig günstigen Wohnraum zu schaffen: durch Gemeinschaft. Es ist Teil eines bundesweiten Modells, das immer mehr boomt. Im Bielefelder Osten nimmt eine Gruppe junger Menschen ein leer stehendes Haus ins Visier. Ihr Name: Initiative Petristraße 2. Ihr Wunsch: in dem Haus selbstbestimmt leben, ohne dass regelmäßig Mieterhöhungen, teure Sanierungen eines Vermieters oder die Abrissbirne drohen. Umsetzen will das die rund zehnköpfige Gruppe, indem sie einen Hausverein gründet – und das Gebäude einfach kauft und dann selber verwaltet. Doch über viel Kapital verfügen die Mitglieder nicht. Deshalb sammeln sie Privatkredite im Freundes- und Familienkreis, sogenannte Direktkredite. Den Rest leihen sie sich von der Bank. Abgezahlt werden die Kredite später über sozialverträgliche Mieten. Die sinken, sobald der Kredit abgezahlt ist. Einlagen müssen die Mieter nicht zahlen. Das Mietshäuser-Syndikat Das Modell nennt sich Mietshäuser-Syndikat, gegründet in den 80er Jahren in Freiburg. Dahinter steckt ein solidarischer Verbund von mehr als 150 Hausprojekten im ganzen Land. Das Ziel: dauerhaft stabile Mieten und bezahlbaren Wohnraum schaffen, der nicht nach Marktgesetzen funktioniert. Die Häuser werden durch einen Kauf quasi vom Markt genommen und entprivatisiert. Das Modell erlebt derzeit einen regelrechten Boom. &bdquo;Wir sind überrascht, wie schnell wir im ganzen Land wachsen", sagt Mitarbeiter Jochen Schmidt. Geld steuert der Verbund nicht bei, berät und unterstützt aber Gruppen, die Wohnhäuser kaufen und verwalten wollen. Die Bielefelder Initiative Petristraße 2 wurde in dieses bundesweite Syndikat aufgenommen und muss nun eine GmbH gründen, um das Haus kaufen zu können. Sowohl die Initiative als auch das Syndikat würden als Gesellschafter agieren – und wie eine kleine Genossenschaft aufgestellt sein. Das Mietshäuser-Syndikat besitzt ein Veto-Recht. Ein gewinnbringender Wiederverkauf eines Gebäudes ist generell ausgeschlossen. Verein will das Viertel stärker beleben In dem rund 400 Quadratmeter großen, markanten Eckhaus an der Petristraße im Bielefelder Osten wollen die jungen Menschen in etwa wie in einer riesigen WG leben, aber mit Rückzugsmöglichkeiten. &bdquo;Es ist doch schöner, sich zum Beispiel Küche, Waschmaschine und Garten zu teilen", sagt Christian, eines der Mitglieder. Die Gruppe beschäftigt sich seit rund einem Jahr mit dem Thema: Die Mitglieder im Alter von 20 bis 50 Jahren entwickelten gemeinsam Finanzierungs-Pläne, sie organisierten Handwerker, Architekten und erstellten Verträge. Nicht alle kannten sich zuvor. Diesen Gemeinschaftsgedanken wollen die Mitglieder auch in das Viertel tragen – und es stärker beleben. Viele der 150 Projekte des Syndikats teilen diesen Wunsch nach Gemeinschaft, ihre Mitglieder gehören mehrheitlich zur alternativen Szene. Aber nicht alle. Im Bielefelder Süden funktioniert das Modell bereits seit 2015. Johannes Künsebeck und seine damaligen Mitbewohner kamen damit in Berührung, als sie ihre gemeinsame Wohnung verlassen mussten. Sie kauften daraufhin ein Haus, um weiterhin zusammen wohnen zu können. Neue Personen kamen hinzu; heute leben sie in dem Haus zu neunt. &bdquo;Wir wollten flexibel sein und nicht in einer großen Genossenschaft leben", sagt Künsebeck. "Das Modell ist durchaus sinnvoll" Probleme mit der Stadt habe es bei der Umsetzung des Projekts nicht gegeben. &bdquo;Wir verwalten uns selber und konnten das Haus der steigenden Mietpreisspirale entziehen. Das funktioniert gut", sagt Künsebeck. Der Quadratmeterpreis betrage aktuell 5,58 Euro. In der Stadt zahlen Mieter durchschnittlich 7,46 Euro. Wer einziehen darf und wie hoch die Miete ist, entscheiden die Bewohner. Künsebeck sieht in dem Mietshäuser-Syndikat eine Lösung, um dem angespannten Wohnungsmarkt punktuell entgegenzuwirken. Der Geschäftsführer des Mieterbunds Ostwestfalen-Lippe, Ralf Brodda, bezeichnet das Modell als &bdquo;durchaus sinnvoll." Doch könne es nicht die alleinige Lösung für die Wohnungsknappheit sein, sondern lediglich ein Mosaikstein, so Brodda. Im Frühling dürfte sich entscheiden, ob sich das Modell auch in der Petristraße umsetzen lässt. Das leer stehende Haus gehört aktuell dem ISB (Immobilienservicebetrieb der Stadt). Leiter Jürgen Bültmann: &bdquo;Es gibt mehrere Interessenten." Erschwerend komme hinzu, dass sich das Haus laut Bebauungsplan auf der alten Trasse der B66n befindet. Deshalb muss zunächst der alte Plan geändert und neu geschrieben werden. Das dauert. Der ISB habe der Initiative bereits ein anderes Objekt in der Stadt angeboten, für den Fall, dass ein Kauf in der Petristraße nicht klappt. Denn man stehe dem Modell durchaus aufgeschlossen gegenüber und halte es für umsetzbar, sagt Bültmann. Die Initiative aber setzt all ihre Hoffnung auf das Haus in der Petristraße. &bdquo;Das Viertel hat eine engagierte, alteingesessene Bewohnerschaft – und die sollte bei der Quartiersplanung mit einbezogen werden", finden die Mitglieder.

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