Skandalöse Zustände: Bielefelder senkt seine Miete auf 100 Euro

Bielefeld. Es ist wie eine Lawine. Immer mehr Details zur Schrott-Immobilie in Brackwede kommen ans Tageslicht, nachdem die NW die unhaltbaren Zustände publik gemacht hat. Die Mieter wollen jetzt zunehmend den Kampf gegen den Hauseigentümer und die Hausverwaltung, die Adler Wohnen Service, aufnehmen. Einer hat es schon im Vorfeld getan. Der 80-Jährige Udo Mündkemüller ist vor Gericht gezogen. Der alte Mann wohnt seit 1996 in dem Mietkomplex an der Hauptstraße/Berliner Straße. &bdquo;Damals gab es im Haus sogar ein Café", erinnert er sich an bessere Zeiten. Vor vier Jahren ist die Bindungsfrist für die öffentlich geförderten Wohnungen ausgelaufen, seither geht es nach Auskunft der Mieter steil bergab. Nach Peloton und der WVb Centuria ist die Adler Wohnen Service in dieser Zeit der dritte Hausverwalter. 80-jähriger Lungenkranker kämpft hartnäckig Ab etwa 2016 hat so richtig der Horror eingesetzt, weil nach Mündkemüllers Worten Handwerkertrupps durchs Haus gezogen sind. Sie haben die Wände im Bereich der Versorgungsleitungen großflächig in den Wohnungen aufgehauen. Aber nicht überall sind dann Rohre erneuert worden. Und die Löcher wurde nicht wieder geschlossen. Stattdessen wurden regelmäßig Mieten erhöht. Der 80-Jährige ist seit langem Mitglied im Mieterbund. Und so hat er Ende 2016 angefangen, die Miete zu reduzieren. Vor allem, nachdem sich aufgrund von Wassereinbrüchen seine Wohnung innerhalb kürzester Zeit in eine Schimmelhölle verwandelt habe. Der hochgradig Lungenkranke (COPD) zog 2017 für sechs Wochen aus, Centuria habe Abhilfe versprochen, nichts geschah. Ein von ihm selbst herbeigerufener mitleidiger Handwerker habe den Schimmel in Flur und Bad für ihn kostenlos entfernt und einen Schutzanstrich aufgebracht. Doch nun fehlen auch Tapeten, der Teppich ist hin. Mehr als 7.000 Euro bewusste Mietrückstände Aktuell zahlt Udo Mündkemüller nur noch 100 Euro, will bald alle Zahlungen einstellen. Am 24. April 2018 hat ihm die Adler Wohnen Service im Auftrag des Eigentümers, der AFP Germany III Sarl Luxemburg, aufgrund von 3.300 Euro Mietrückständen gekündigt. Bis 6. Mai 2018 sollte er räumen, Mündkemüller dachte nicht daran. Im Oktober 2018 kam die nächste Erhöhung für seine 48 Quadratmeter – von 435,69 auf 470,29 Euro Bruttokaltmiete (inklusive durchschnittliche Heiz- und Betriebskosten). Die WVb Centuria hatte ab Februar 2017 schon mehr verlangt: 453,53 Euro waren es da merkwürdigerweise. Der 80-Jährige stimmte nie zu. Ende Juni 2019 erinnert Adler höflich im Namen der mittlerweile umfirmierten AFP III Germany an einen Zahlungsrückstand von 7.033,67 Euro. Mündkemüller, der im Gegenzug 6.000 Euro fürs Ausweichquartier aufrechnet, denkt nicht daran zu zahlen. Das Gerichtsurteil in der Sache steht noch aus. Mieterbund recht erfolgreich Ralf Brodda, Geschäftsführer des Mieterbundes OWL, bestätigt, dass der Verein einige Mieter in Brackwede vertritt. Die Mieterhöhungen, die Adler zu Oktober 2018 ausgesprochen hat, seien unrechtmäßig. Da bereits Centuria die Mieten im Februar 2017 bis zur Kappungsgrenze von 15 Prozent angehoben habe, hätte Adler frühestens zum 1. Februar 2020 steigern dürfen. &bdquo;Wenn es denn der Mietspiegel auch hergibt", so Brodda. Der Mieterbund habe erreicht, dass Adler die Mieterhöhungen zurückgenommen hat. Doch selbst mit diesem Wissen sei Adler in einem anderen Fall bis vor Gericht gezogen, um mehr Geld zu bekommen. Der Richter, so Brodda, habe dann aber zur Klagerücknahme geraten. Wider besseren Wissens unterschrieben Ein großes Problem sei, dass viele der Mieterhöhung zugestimmt haben. &bdquo;Wenn immer wieder gemahnt wird, stimmen die Leute oft zu", sagt Brodda aus Erfahrung. &bdquo;Weil sie ihre Ruhe haben wollen, oder weil sie es nicht besser wissen." Auch mit Blick auf die Nebenkostenabrechnungen gibt es laut Mieterbund Auffälligkeiten, die aber bisher eher kleinerer Natur seien. Der für Bielefeld zuständige Adler-Regionalleiter Patrick Bolik sagt auf Nachfrage der NW, dass ihm fehlerhafte Mieterhöhungen nicht bekannt sind. Fehler will er aber auch nicht ganz ausschließen. Die Erhöhungen seien automatisiert, da könne im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang auch manches &bdquo;untergegangen sein". Dusche und Balkontür sollen repariert werden Einen ersten Lichtblick gibt es für Mieterin Santijana Alioski (27), die seit sechseinhalb Monaten ohne Dusche und seit drei Monaten ohne Balkontür ist. Adler hat einen Handwerker beauftragt, der sich ab Montag um die Dusche kümmern soll. Die Balkontür soll bis zur Lieferung einer neuen notdürftig instandgesetzt werden. Und die Löcher in so vielen Wänden? &bdquo;Nach Rücksprache mit der Firma sind seit letzter Woche alle Folgearbeiten im Rahmen der Strangsanierung abgeschlossen. Den Wahrheitsgehalt lassen wir, nach Ihren Aussagen, vor Ort überprüfen", schreibt Adler der NW.

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