Bielefeld Bielefelder Mieter erlebt den absoluten Albtraum

Bielefeld. Es ist der Alptraum eines jeden Mieters: Weil sich Michael G. gegen eine Mieterhöhung von 56 Prozent zur Wehr setzte, wurde ihm fristlos gekündigt. Der Hartz-4-Empfänger wurde vor Gericht gezogen - und siegte. Doch die Angst bleibt. Drei Monate später erreicht das Drama einen neuen Höhepunkt. Fast sah es so aus, als würde der kleine David den großen Goliath in die Knie zwingen. Michael G. wohnt in einem von vier nahe stehenden Häusern mit insgesamt 68-Parteien in Sieker. Sein Vermieter ist die Vonovia, mit 486.000 Wohnungen in Deutschland. Die kündigte im Jahr 2016 an, die Miete wegen einer Modernisierung zu erhöhen - um monatlich 160 Euro oder 56 Prozent (NW berichtete im Juni). Michael G. machte da nicht mit, prüfte die Abrechnungen ganz genau: "Vieles waren keine Modernisierungen, sondern Instandhaltungen. Und die dürfen nicht zu einer Mieterhöhung führen", stellte er fest. Sein Anwalt verlangte im Januar 2016 genauere Nachweise und Rechnungen, aber bekam erst nach Monaten Unlesbares und Unvollständiges. Auf den zweiten Brief des Anwalts antwortete der Vermieter erst 2017. Aber wieder nur unvollständig. Michael G. zahlte die alte Miete weiter. Ende 2017 wurde ihm fristlos gekündigt. Seine 63-Quadratmeter-Wohnung verließ er nicht, ging stattdessen ohne Anwalt vor Gericht - und siegte. Der Kampf hatte Michel G. viel Kraft gekostet. "Über Monate musste ich damit rechnen, tatsächlich obdachlos zu werden." Denn eine andere Wohnung habe er nicht gefunden. Wenig später holen ihn seine Sorgen erneut ein. Der nervenaufreibende Kampf geht in die nächste Runde: Einen Tag nach Beginn der Sommerferien flattert plötzlich eine Zahlungsklage in seinen Briefkasten. Darin listet die Vonovia Mietrückstände in Höhe von rund 5.000 Euro auf. Michael G. ist irritiert, wendet sich in mehreren Schreiben an den zuständigen Richter. "Wie kann das sein? Ich habe den Prozess doch gewonnen." Wenige Tage nach der Zahlungsklage kündigt ihm das Unternehmen erneut fristlos - das zweite Mal und rund drei Monate nach der gewonnenen Räumungsklage (Schreiben liegt der Redaktion vor). Als Michael G. den Brief mit der Kündigung liest, muss er laut lachen. "Das ist verrückt." Anwalt spricht von Skandal und Betrug Er holt sich Rat bei einem Anwalt, der spricht von einem "Skandal" und von "Betrug". Michael G. rechnet regelmäßig damit, dass es plötzlich an der Haustür klingelt. Ungewissheit ist zum stetigen Begleiter geworden. Doch nichts passiert. Niemand kommt, um seine Schlüssel zu holen. Wochen vergehen. "Sie haben die Kündigung bis heute nicht zurückgenommen", sagt er. "Warum macht die Vonovia das? Ist das Absicht? Einschüchterung? Oder einfach bloß Unvermögen?" An seinem Geburtstag Anfang November teilt ihm die Vonovia schließlich eine reguläre Mieterhöhung mit: Statt den 160, "nur" rund 21 Euro. "Damit geben sie mir ja indirekt Recht", sagt G. Ob der Streit nun vorbei ist? "Ich weiß es nicht", sagt er. Auf NW-Anfrage teilt Vonovia-Sprecher Max Niklas Gille mit: "Von einer zweiten Kündigung ist uns ehrlicherweise nichts bekannt. Gerne nehmen wir zum Kunden Kontakt auf und klären das." Der Vonovia-Sprecher schreibt weiter in seiner Antwort: "Es tut uns leid, sollte hier Verwirrung beim Kunden entstanden sein. Direkt am Mittwoch wird sich ein Kollege melden und alles mit ihm durchgehen." Trotz seines Siegs vor Gericht bleibt Michael G. ein Einzelkämpfer. "Ich habe einen Aushang gemacht, aber niemand, der sich wehren will, hat sich gemeldet." Viele Menschen klagten, ihre alte Hausgemeinschaft sei durch die Modernisierung zerbrochen. Michael G. hat das Glück, dass wenigstens ein paar Bekannte geblieben sind. Aber nicht alle. "Meine Nachbarn über mir, unter mir und links neben mir sind ausgezogen, weil sie sich die Mieterhöhung nicht leisten konnten", sagt G. "Und die Nachbarin rechts von mir hat eine Wohngemeinschaft aufgemacht, um sich die Miete zu teilen." Der 62-Jährige ist sich sicher: "Die Mietparteien hätten zumindest teilweise Recht bekommen. Wenn sie es versucht hätten. So wie ich." Denn die Abrechnungen der Vonovia seien sowohl für Laien als auch für Fachleute nicht ausreichend, glaubt er. Deshalb empfiehlt G.: "Mieter sollten die Abrechnungen besser gründlich überprüfen. Dann haben sie sehr gute Chancen." Und er glaubt auch: "Wenn sich mehrere Mieter zusammentun und gemeinsam einen Gutachter einschalten, raubt das vielleicht nicht ganz so viel Kraft." Denn wer allein gegen die Vonovia kämpfe, der brauche Nerven wie Drahtseile. "Im Nachhinein hätte ich besser eine Feststellungsklage eingereicht. Dann hätte man mir eher antworten müssen. Das hätte viel Stress erspart."