Bielefeld Von Auschwitz-T-Shirt bis Kühnengruß: Rechtsextreme verbreiten Angst in Bielefeld

Bielefeld. Regenbogen-Demo und Antifa-Punkrock-Hymnen als Antwort auf Auschwitz-T-Shirts, Kühnengruß und Nazi-Folklore-Lieder: Bielefeld antwortete lautstark und farbenfroh auf den demonstrativen Marsch der Rechtsradikalen. Der bürgerliche Gegenprotest war kreativ und reichte von Schülern bis zu Großmüttern. Für manchen Neonazi dürfte der Auftritt in der City indes ein strafrechtliches Nachspiel haben. "Wer Deutschland liebt, ist Antisemit" - diese Parole wurde von Besuchern der Gegendemonstrationen einige Male gehört. Nazis skandierten sie bei Aufmärschen in jüngerer Vergangenheit ebenso, etwa am 21. September in Dortmund. Der Ausspruch ist strafrechtlich relevant. Ebenfalls zu hören - und auch dokumentiert - waren "Nie wieder Israel"-Rufe, laut Augenzeugen mutmaßlich ausgelöst durch Israel-Flaggen auf der Gegendemo. Groteske Kleidung Mehrere Teilnehmer zeigten außerdem den sogenannten Kühnengruß, unter anderem bei der Ankunft am Hauptbahnhof. Der Kühnengruß, benannt nach Neonazi-Anführer Michael Kühnen in den 80ern, ist eine Abwandlung des Hitlergrußes und ebenso strafbar. Der Hitlergruß selbst soll nach unbestätigten Angaben der Antifa auch gezeigt worden sein. Hinzu kam mancher Demo-Teilnehmer in groteskem Kleidungsstil angelehnt an die NS-Zeit. Mancher T-Shirt-Aufdruck ließ wegen schier unfassbarem Inhalt Gegendemonstranten den Atem stocken. Eine Zeile lautete: "Auschwitz, ich hätte da mal eine Frage ..." "Omas gegen Rechts" machen mobil Dem gegenüber stand Protest aller Art. Ute Sattler und Anne Pape von der Initiative "Omas gegen Rechts" kamen am Mittag früh zum Bahnhof, um die Nazis gebührend zu empfangen. "Wir protestieren gegen Ewiggestrige, damit unsere Kinder und Enkelkinder auch zukünftig in Freiheit leben können", sagten sie. Andere Gegendemonstranten hielten Plakate hoch mit Aufschriften wie "Hass ist krass, Liebe ist krasser" oder in Anlehnung an Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck: "Hafergebäck statt Haverbeck." Musik spielte ebenfalls eine Rolle - das merkten die Nazis spätestens vorm Landgericht. Dort spielten sie gerade Folklorelieder, als plötzlich der Song "Schrei nach Liebe" der Punk-Band "die Ärzte" aus Lautsprechern des Bunkers Ulmenwalls dröhnte. In Dauerschleife. Der Song gilt als Anti-Nazi-Hymne. Die Idee zur Aktion hatte Bunker-Mitbetreiber Cayhan Cankatli spontan. "Diese Leute sind die Antithese zu all dem, was uns ausmacht, wofür wir stehen. Wir feiern alle Kulturen. Wer das tut, der kann so eine Demo nur verabscheuen", sagte er. Lautsprecher umgeworfen "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt, mach's wie deine Brüder!" Aus zwei großen Lautsprechen, die in einem geöffneten Fenster am Siekerwall standen, tönte am Samstag laut und deutlich Franz Josef Degenhardt. Der Liedermacher forderte mit seinen "Schmuddelkindern" dazu auf, nicht so zu handeln, wie es vorherige Generationen getan haben. Irgendwie passte die Musik zum Szenario, das die Neonazis auf ihrer Abschlusskundgebung vor dem Landgericht zeigten. Sie grölten dumpf altes, deutsches Liedgut mit Klampfenbegleitung und trugen mit viel Pathos deutsche Gedichte vor. Männer schlagen auf Laptop ein Und Degenhardt passte da so gar nicht in ihr Denkschema - wurde sogar abrupt unterbrochen. Der Siekerwall-Anwohner, der mit Namen der NW bekannt ist: "Ich stehe draußen bei uns im Innenhof. Da kommt meine Frau aus dem Haus gelaufen. Aufgeregt erzählt sie mir, dass zwei Männer in unserem Wohnzimmer sind und gerade die zwei Musikboxen von der Fensterbank geworfen haben. Ich stürze ins Haus und sehe, wie zwei etwa 60 Jahre alte, relativ gut gekleidete Männer auf meinen Laptop einschlagen und dann, so schnell sie gekommen sind, auch wieder verschwinden. Draußen auf der Straße spreche ich einen Polizisten auf den Vorfall an. Er erklärt mir, dass ich die Musik besser leise machen solle, da ich ansonsten eine angemeldete Veranstaltung stören würde. Auf dem Rückweg der Neonazis stehe ich am Zugweg. Einer der Rechtsextremisten ruft mir zu, dass er wüsste, wo ich wohne."