Mitte Der 5. Kanton in Bielefeld fühlt sich von der Stadt vernachlässigt

Mitte. Der 5. Kanton ist ein traditionelles Arbeiterviertel im Bielefelder Osten. Die Bewohner zwischen Heeper und Herforder Straße fühlen sich mit dem Quartier verbunden. Doch es gibt auch viele kritische Stimmen, die sich mehr Aufmerksamkeit von Stadt und Politik für die Sorgen vor Ort wünschen. Die Werbegemeinschaft 5. Kanton lud jetzt zur Podiumsdiskussion, um über die Probleme im Viertel zu sprechen. Mehr als 80 Bewohner, aber auch Bezirkspolitiker kamen - und stritten über Mängel und Projekte. Unmut über AbrisspläneAuslöser für neuen Unmut ist die Absicht der Stadt, die alte Volkeningschule (früher Petrischule) an der Petristraße zu verkaufen. Interesse an der Immobilie hat das Evangelische Johanneswerk, das hier ein Altenzentrum mit rund 80 Plätzen errichten möchte, wie Geschäftsführer Andreas Lüttig erklärte. Dafür müsste der leerstehende Altbau abgerissen werden. Die Verhandlungen über den Kauf seien weit gediehen, bestätigte Andreas Hubalek vom Büro des Oberbürgermeisters. Vor Ort wollen die Bürger aber für das stadtbildprägende Gebäude kämpfen, dessen Substanz nicht so schlecht sei, wie die Stadt behaupte. Wolfgang Lückewille, Vorsitzender der Werbegemeinschaft, hofft weiter, den Abriss verhindern zu können, und startete eine Unterschriftensammlung. "Es wäre ein toller Ort für ein Kultur- und Freizeitzentrum im Viertel. So etwas fehlt uns", sagte Lückewille: "Das würde gut in das Quartier passen." Er erinnerte auch daran, dass viele Bewohner des 5. Kantons die Schule besucht hätten: "Da sind Generationen durchgegangen. Gibt es denn keine Alternative?" Die sieht die Stadt nicht, weil das Gebäude veraltet und marode und eine Sanierung unwirtschaftlich sei, betonte Hubalek. Jan-Helge Henningsen (CDU): "Wir sind heilfroh, dass wir für das desolate Gebäude einen Investor haben." Pfarrer Karl Heinrich Seelbach von der Petrikirche betonte "den prägenden Charakter" des Gebäudes fürs Viertel: "Da ist auch Trauer bei uns." Aber er riet dazu, nach vorn zu blicken: Die Pläne des guten Trägers Johanneswerk böten die Chance auf eine nachhaltige und gutnachbarschaftliche Lösung. Beteiligung der BürgerDen Ärger vor Ort verschärft hat die fehlende Information über die Pläne. "Da bleibt ein bitterer Beigeschmack, dass schon lange verhandelt wird, wir aber nichts davon hören", beklagte Viertelbewohner Erwin Brindöpke, der sich empörte, dass die Stadt Gebäude verrotten lasse. Die Schule steht schon Jahre leer. Zeitweise nutzte die Stadt sie als Flüchtlingsunterkunft. Darüber informierte sie. Aber die Verkaufs- und Abrissabsichten waren nur in nichtöffentlichen Sitzungen Thema, räumte Heike Mertelsmann (SPD) ein. Das stört die Bürger. Besser als der RufUnd es löst Kritik aus, dass sich die Stadt zu wenig kümmere um den 5. Kanton. "Wir stehen nicht im Fokus der Bielefelder Politik", sagte Lückewille: "Aber die Probleme im Viertel werden größer." Zunehmende Leerstände, permanente Baustellen und fehlende Infrastruktur drücken die Stimmung. Aber es gibt auch Warnungen davor, das Viertel schlecht zu reden. Martin Kaufmann von der Freien Scholle: "Gucken Sie auf die guten Seiten." Es gebe viele Angebote mit der Traditionsgaststätte Fichtenhof, in Meinolfzentrum und Adolf-Damaschke-Heim. Erik Brücher (SPD) verwies auf Investitionen im Sportpark des TuS Ost, die Sanierung der neuen Volkeningschule oder von BGW-Häusern sowie Neubaugebiete. Und die Politiker ermutigten die Bürger, zur Einwohnerfragestunde der Bezirksvertretung Mitte zu kommen, wenn sie Fragen oder Sorgen hätten. Tor zum 5. KantonDas Haus Petristraße 2 sieht Lückewille "als Tor zum 5. Kanton". Doch der Zustand ist nicht gut, die Fassade verrottet. Die Stadt hat zuletzt so gut wie nichts in das Wohnhaus gesteckt, weil es auf der einer möglichen Straßenausbautrasse steht. Jetzt ist es so marode, dass der Immobilienservicebetrieb es am liebsten abreißen lassen würde, um Platz für Neubauten zu schaffen. Dagegen regt sich Widerstand einer Bürgerinitiative. Ein Sprecher: "Der ISB setzt konsequent auf Entmietung." Die Bürger wollen, dass das Haus bleibt. Die Chancen dafür steigen aber. OB-Referent Hubarek erklärte, die Stadt verfolge jetzt doch das Ziel, es zu erhalten. Als Straßentrasse müsse das Grundstück nicht mehr freigehalten werden. GroßbaustellePermanente Baustellen auf den Straßen im Innern des 5. Kantons behinderten den Verkehr in den letzten Jahren und sorgten für viel Verdruss. Jetzt löst die mindestens drei Jahre dauernde Großbaustelle Heeper Straße viele Sorgen aus. Ein Geschäftsmann: "Das geht an Existenzen." In der drei Kilometer langen Heeper Straße in Mitte werden Kanal und Leitungen erneuert, später muss die Fahrbahn wieder hergestellt werden. Bis Frühjahr 2018 dauere die bereits laufende Baustelle zwischen Kronen- und Huberstraße, teilte Hubarek mit. Bis 2021 folge abschnittsweise der Umbau bis zur Radrennbahn. Lückewille: "Es wird eng im Osten." Mertelsmann versprach aber, dass die Bürger vor Ort informiert und beteiligt würden. RadrennbahnEin Juwel im Osten ist die Radrennbahn. Doch der Stadt fehlt Geld für den Erhalt. So müht sich der Förderverein mit viel Engagement, die einzigartige Anlage in Stand zu halten. Gregor Kleinepähler warb um Unterstützung und beklagte, dass der Verein bei der Stadt "ohne den kleinen Dienstweg nicht weiterkommt". Am 12. und 13. Mai lädt der Verein wieder zum Unkrautjäten ein. Und am 10. und 11. Juni können sich die Bielefelder auf das große Alpecin Radfest NRW 2017 freuen.