Bielefeld. Ablehnung war ihre erste Reaktion. Eine Religion, die wie der Islam wohl ihren Ursprung "hinter den sieben Bergen" haben musste, konnte eine aufgeklärte Theologin wie Brigitte Maske nur ablehnen. Wenig später übernimmt sie eine Aufgabe, mit der ihr Name heute noch in Verbindung gebracht wird: Maske wird 1999 die erste Islambeauftragte des Evangelischen Kirchenkreises.
"Ich hatte damals schlicht keine Ahnung", erinnert sich die 73-Jährige an die Zeit, in der sie nichts anderes als Vorbehalte empfand. In der Erwachsenenbildung in Bethel arbeitet sie damals.
Doch Maske gehört nicht zu denjenigen, die sich mit oberflächlichen Wahrnehmungen begnügen. Die Theologin hakte nach, informierte sich über den Islam. Werke muslimischer Gelehrter gehörten fortan zu ihrer Lektüre, darunter Bücher des mittelalterlichen Philosophen Mohamed Ibn Rushd, heute eher bekannt als Averroës. Und sie bereiste Andalusien, das lange unter dem Einfluss des Islams stand.
Begegnungen mit Muslimen in Deutschland, darunter Akademikerinnen und ein deutscher konvertierter Diplomat, zerstreuten ihre letzten Vorbehalte. "Ich war fasziniert von der Aufgeklärtheit und Reflexion dieser Menschen."
Daran teilhaben sollten auch andere, so der Plan der Theologin. Im Islamischen Zentrum fand sie aufgeschlossene Ansprechpartner. "Hier gibt es eine Gruppe sehr gebildeter Frauen und Männer, die, teils durch Selbststudium, auf Augenhöhe mit Christen diskutieren", erklärt Maske beim Treffen im Gebetsraum mit den rot-weiß gemusterten Teppichen.
Das Islamische Zentrum hat eine Gruppe von Ärzten gegründet. Zur Gemeinde gehören Menschen mit Wurzeln im arabischen und asiatischen Raum sowie deutsche Konvertiten. Die Umgangssprache ist Deutsch.
Unzählige Diskussions- und Vortragsveranstaltungen für Christen und Muslime hatte Maske schon organisiert, als der Kirchenkreis sie 1999 einlädt, die Aufgabe der ersten Islambeauftragten zu übernehmen. Sie beschäftige sich doch schon länger mit diesem Thema, heißt es zur Begründung.
Maske nimmt an. "Ich wollte alle Moscheevereine der Stadt an einen Tisch bekommen." Entgegen häufig geäußerter Bedenken habe man sie "ausgesprochen freundlich" aufgenommen. Auch als Frau. "Das hat mir die Sache sogar erleichtert", erzählt sie. "Zu den männlichen Funktionsträgern bekam ich Kontakt und außerdem zu den Frauen."
Der radikale Einschnitt kommt mit dem Terroranschlag vom 11. September 2001.
Die Kandidatinnen und ihr Preis
Zum zweiten Mal lobt der Bund der Frauenvereine mit der Neuen Westfälischen den Bielefelder Frauenpreis aus. Nominiert sind acht Persönlichkeiten, die sich für die Stadt und ihre Menschen engagieren.Erstmals wurde der Frauenpreis zum 800-jährigen Stadtjubiläum ausgelobt. Die Initiative kam vom Bund der Frauenvereine, einen Dachverband von 25 Vereinen mit insgesamt gut 12.000 Mitgliedern.
Die Gewinnerin erhält den Bielefeld-Ring. Die Bielefelder Goldschmiedin Ingrid Holtmann hat das Schmuckstück kreiert.
Für acht Kandidatinnen hat sich der Bund der Frauenvereine entschieden.
Vorgestellt werden die Frauen in der NW-Lokalausgabe. Im Anschluss wählt eine Jury die Preisträgerin aus. Die Mitglieder sind Brigitte Mohn (Bertelsmann-Stiftung), Gabriele Behler (Ex-Schulministerin), Ricarda Osthus (Kommunalpolitikerin und Rechtsanwältin), Jutta Küster (frühere Radio-Bielefeld-Redakteurin), Andrea Rolfes (Leiterin der NW-Lokalredaktion), Hans-Jürgen Simm (Ex-Kanzler der Uni Bielefeld), Lutz Worms (Vorsitzender der Bürgerstiftung) und Peter von Möller (Möller Group).
Die Kandidatinnen: Eva-Maria Daudel Isolde Ebel Heidi Saarmann Christiane Cascante Doris Buschmann Brigitte Maske Elke Upmeier zu Belzen Rena Tangens
"Da begann meine eigentliche Arbeit", erinnert sich Maske. Die Bielefelder haben plötzlich Erklärungsbedarf. Ob vor Mitgliedern des Shantychors oder Zontaclubs - die Islambeauftragte ist eine gefragte Referentin. Zwischen 2004 und 2009 tritt sie vor 40 unterschiedlichen Gruppen auf. "Und was die alles wissen wollten ..."
Die islamischen Gemeinden fühlen sich unterstützt, es kommt zur Gründung einer christlich-islamischen Arbeitsgemeinschaft. In der Folge konstituiert sich das Bündnis islamischer Gemeinden Bielefeld und der Ad-Hoc-Ausschuss, der zu tagesaktuellen Fragen Stellung bezieht. Etwa, ob eine Schöffin Kopftuch tragen kann, oder ob ein muslimischer Fleischergeselle ein Schwein schlachten muss.
"Sie sind doch diese Islamfrau", wird Maske in diesen Jahren oft angesprochen. Oder: "Sind Sie eigentlich noch Christin?" Dazu fällt ihr der Satz eines islamischen Gelehrten ein: "Was einem fremd ist, betrachtet man oft als feindlich."
Dass sie zudem zur jüdischen Gemeinde Zugang findet, der in einen Trialog zwischen Christen, Juden und Muslimen mündet, erscheint nur konsequent. 2008 wird in Bielefeld das erste Abrahamsfest gefeiert. Ihr Amt als Islambeauftragte gibt Maske 2011 auf.
"Zu diesem Zeitpunkt war ich schon Rentnerin", sagt sie. "Ich bin überzeugt, dass Berufstätige diese Aufgabe übernehmen sollen. Die stehen mitten im Leben."
Der Islam und die Muslime haben in ihrem Leben nach wie vor eine zentrale Bedeutung. "Das Thema lässt mich nicht mehr los", ist sie überzeugt. Im kommenden Herbst reist Maske in den Iran.
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