Bielefeld/Hannover. Seit Sonntagfrüh kursierte im Internet das Gerücht, dass die umstrittene Demo der "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) am Samstag in Hannover doch nicht so friedlich zu Ende ging, wie es von den Behörden stets betont worden war. Hartnäckig hielt sich die Meldung, dass eine Gruppe Antifa-Aktivisten vier Bielefelder HoGeSa-Demonstranten mit Waffen angegriffen hat. Nach einem ersten Dementi kam gestern Nachmittag doch die Bestätigung aus Hannover: "Die Polizei ermittelt nun wegen eines versuchten Tötungsdelikts."
Ein Bielefelder (45) liegt mit zweifachem Schädelbruch und diversen Stichverletzungen am Kopf in einem Hannoveraner Krankenhaus. Ein zweiter Bielefelder (42) erlitt laut Polizei einen Kieferbruch, sein Begleiter Christian B. (Name geändert, 42) sprach auf Anfrage der Lokalredaktion von einem Bruch der Augenhöhle, der am Mittwoch in Bielefeld operiert werden soll: "Unser Auto war nur noch zwei Meter von uns entfernt, als plötzlich aus zwei Straßen die Angreifer kamen", berichtet der Bielefelder. Sie schrien: "Da sind welche, Scheiß Nazis." Dann sprühten sie den Freunden Reizgas ins Gesicht.
Die Polizei geht davon aus, dass das Bielefelder Quartett (42, 42, 45, 47) nach Verlassen des Veranstaltungsortes am Postkamp in Hannover gegen 15.30 Uhr von 30 bis 40 Vermummten des linksautonomen Spektrums ausfindig gemacht und zunächst mit Pfefferspray angegriffen wurde. Laut Polizeibericht seien die vier Bielefelder anschließend massiv getreten und geschlagen worden, so Polizeisprecherin Tanja Rißland. "Vermutlich auch mit Schlagwerkzeugen", heißt es.
Christian B. kriegt nicht so viel ab, kann sich mit blutender Nase und Tränen in den Augen zu einem Hotel retten: "Ich habe an der Tür geklopft, aber die haben mich zehn Minuten lang nicht hereingelassen. Keine Chance, wenn sie zurückgekommen wären."
Warum benötigte die Polizei zwei Tage seit Ende der Demo, um die Gerüchte zu dem Vorfall zu bestätigen? Rißland räumt ein: "Der Angriff an sich war uns bekannt, aber die Qualität noch nicht." Erst durch einen zweiten Besuch im Krankenhaus und die Befragung zweier Zeugen – einer soll ein Video haben – wurde der Kripo gestern klar, "dass die Täter den Tod des 45-Jährigen mindestens billigend in Kauf genommen haben".
Seitdem ermittelt die Kripo wegen des Verdachts eines versuchten Tötungsdeliktes. Der 45-Jährige schwebte zunächst sogar in Lebensgefahr (Hirnblutung), sagt B., am Sonntagmittag habe er die Intensivstation verlassen können. Vernehmungsfähig sei er trotzdem noch nicht, so die Polizei. "Auch eine Befragung der behandelnden Ärzte soll noch Aufschluss über Art und Umfang der Verletzungen bringen", so Rißland. Daraus erhoffen sich die Ermittler Rückschlüsse auf ein Tatwerkzeug. Christian B. sagt: "Da war ein Messer oder eine andere Stichwaffe im Spiel." Der 45-Jährige habe neben dem Schädelbruch diverse Stichwunden am Kopf und am Ohr; außerdem einen Nasenbeinbruch und gebrochene Rippen.
Schon kurz nach dem Verlassen des Kundgebungsortes sei das Quartett das erste Mal angegriffen worden. "Da flogen Flaschen, wir sind dann schnell weg." Kurz vorm Auto wurden sie wiederentdeckt. Mit schweren Folgen für zwei von ihnen.
B. bezeichnet sich und seine Freunde als unpolitisch: "Wir sind weder links noch rechts. Wir haben aber Stärke gezeigt gegen die Islamisierung." Auffällige Klamotten habe keiner von ihnen getragen, allerdings habe einer von ihnen keine Haare mehr. "Für die Antifa ist das natürlich ein gefundenes Fressen: Alles Rechte." Dabei seien in Hannover im Gegensatz zu Köln, wo B. auch war, kaum Rechte aufgefallen.
Gewalterfahrung habe B. gemacht , sagt er ehrlich: "Wir sind vor 20 Jahren auch polizeilich erfasst worden. Wir waren sicherlich Kategorie C." Die damaligen Mitglieder von der "Blue Army" und vom "Ostwestfalenterror" kenne er alle. Mit "Kategorie C" bezeichnet die Polizei gewaltsuchende Täter rund um Fußballgewalt. Ehemalige werden oft als Alt-Hooligans bezeichnet. "Heute haben wir mit Gewalt nichts mehr am Hut", betont B., "wir haben bürgerliche Berufe, teilweise Kinder."