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Heimische Jeans Jeans aus dem Wohnzimmer

Unternehmer Andreas Güntzel aus Quelle stellt Hosen her / 47-Jähriger setzt auf Öko-Qualität

VON ARIANE MÖNIKES
19.08.2014 | Stand 19.08.2014, 13:51 Uhr |
Unternehmensgründer Andreas Güntzel in seinem Haus in Quelle – zugleich Jeans-Manufaktur. Auf dem Zuschneidetisch legt der 47-Jährige auch selbst Hand an. - © FOTO: WOLFGANG RUDOLF
Unternehmensgründer Andreas Güntzel in seinem Haus in Quelle – zugleich Jeans-Manufaktur. Auf dem Zuschneidetisch legt der 47-Jährige auch selbst Hand an. | © FOTO: WOLFGANG RUDOLF

Bielefeld. Der Brand in einer Textilfabrik in Bangladesch im vergangenen Jahr hat den Ausschlag gegeben: Betriebswirt Andreas Güntzel (47) aus Quelle machte sich auf die Suche nach einer Jeans made in Deutschland – fand aber keine. Er nahm die Sache selbst in die Hand und gründete die Jeansfirma "Upstream". Zugeschnitten werden die Stoffe in Güntzels Wohnzimmer.

Im März wurde die erste Muster-Jeans an der Luzerner Straße in Quelle genäht, mittlerweile sind es 20 in der Woche. "Wir wollen wachsen", sagt Güntzel. "Aber alles braucht seine Zeit."

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Güntzel, Vater von vier Kindern im Alter von zwei bis 15 Jahren, studierte in Bielefeld Betriebswirtschaftslehre und arbeitete anschließend bei bekannten Metallfirmen in der Region. 2013 dann kam die Idee mit der eigenen Jeans-Firma. Jeans-Träger war er schon immer, erzählt Güntzel. "Aber ich habe nie in der Bekleidungsindustrie gearbeitet."

Monatelang recherchierte er, sprach mit Kennern der Branche und stellte sein Wohnhaus auf den Kopf: Heute ist das Kinderzimmer die Nähstube, im ehemaligen Wohnzimmer steht der Zuschneidetisch. "Das Haus ist Produktionsstätte, Büro und Lager in einem", sagt Güntzel. Hier wurde die Jeans "Geniestreich" geboren.

Drei Mitarbeiter arbeiten inzwischen für Güntzel: eine Bekleidungstechnische Assistentin, die die CAD-Anlage bedient, eine Schneidermeisterin sowie eine Schneiderin. Eine Agentur hatte zuvor das Label entwickelt.

Mit der Hilfe von FH-Professor Kai Dünhölter bekam Güntzel Kontakt zu der Herforder Designerin Clothild Bonhert, die die Jeans entwarf. Den Stoff für die blauen Hosen kauft er über einen Zwischenhändler aus Süddeutschland in der Türkei. "Alle unsere Rohstoffe sind nach höchsten Standards – GOTS und Ökotex – zertifiziert , sagt Güntzel. Fünf Schnitte für Damen und drei für Herren gibt es, alle in dunklem Denim.

Güntzel will aber nicht "nur" ökologische Mode herstellen. Die Jeans müssen Stil haben, bequem sein und gut aussehen, sagt er. Zur Anprobe kamen Freunde, Bekannte und Verwandte in die Manufaktur. Es sei nicht einfach, die richtig Jeans zu finden – und auch nicht, sie zu produzieren, sagt Güntzel. Seine Frau Julia Güntzel (41), die auch im Unternehmen arbeitet, kennt das Dilemma. "Ich habe lange Beine, aber einen kurzen Oberkörper", sagt sie. "Es gibt nicht den einen Schnitt, der jeder Frau passt." "Upstream" stellt Über- und Unterlängen her, das Modell "Nur für dich" wird individuell angepasst – hat aber einen Aufpreis, sagt Güntzel.

149 Euro müssen Kunden für die Jeans aus Bielefeld zahlen. Bestellt werden kann über Telefon oder Internet. Langfristig möchte er die Hosen aber auch über Händler verkaufen.

Getestet hat Güntzel die Blue Jeans übrigens selbst: Dreieinhalb Monate lang trug er eine Jeans jeden Tag – von morgens bis abends. Fast jeden Abend wurde sie gewaschen. "Die Gebrauchsspuren sind gering", sagt er. Er trägt die Jeans auch jetzt noch. Weitere Infos: www.geniestreich-ecowear.de

INFO: Lange Geschichte

Am 20. Mai 1873 wird die Jeans von Stoffhändler Levi Strauss und Schneider Jacob Davis patentiert – eine bis dahin einmalige Erfindung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kommt die Jeans nach Deutschland: Die Firma Mustang aus Künzelsau stellt die Arbeiterhose ab 1948 her.

Fünf Jahre später gibt es das erste Jeans-Modell für Frauen in Deutschland.