Pandemie Was nützt die Corona-Warn-App jetzt noch?

Bielefeld. Schon länger keine Warnung mehr von der App erhalten? Die Corona-Warn-App soll Nutzer informieren, wenn sie Kontakt zu einer infizierten Person hatten. Wer eine rote Kachel bekommt, sollte sich testen lassen. Doch die Warnungen werden seltener - denn immer weniger Testergebnisse werden hochgeladen. Seit Ende November muss auf einen positiven Selbsttest ein Schnelltest oder PCR-Test erfolgen. Die Erfassung könnte damit wieder realitätsnäher werden. Zu Beginn des Jahres zeigte die App Nutzerinnen und Nutzern fast durchgängig rote Warnungen an. Das ist Geschichte. Da weder eine umfassende Test- noch Isolationspflicht herrscht, bleiben viele Infektionen unbekannt. Bisher ist es nicht möglich, die Ergebnisse der Selbsttests in der App hochzuladen. Im Sommer sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, dass nur ein Teil derjenigen mit positivem Schnelltest einen PCR-Test machen. Experten gehen von vielen nicht erfassten Fällen aus. Damit waren die grünen Kacheln in der Corona-Warn-App im besten Fall wenig aussagekräftig. Im schlimmsten Fall vermitteln sie ein falsches Gefühl von Sicherheit. Seit dem 30. November gilt: Wer einen positiven Selbsttest hat, ist verpflichtet, sich unverzüglich mittels Schnelltest oder PCR-Test nachtesten zu lassen. Die Kontrolltestung als PCR-Testung ist kostenfrei. Aber sind Schnelltests nicht unzuverlässig bei Omikron? Grundsätzlich schlagen Antigen-Tests bei der Omikron-Variante nach wie vor gut an, sagt Marc Lütgehetmann, Oberarzt und Mikrobiologe am Zentrum für Diagnostik im Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf, dem NDR. Er empfiehlt jedoch, sich mehrfach zu testen, nicht nur einmal an einem Tag. Nutzen hängt nicht nur vom User-Verhalten ab Die Anzahl derer, die ihre Testergebnisse in der App hochladen, ist zuletzt gesunken. Die mit Abstand meisten Ergebnisse wurden am 9. Februar 2022 hochgeladen: rund 1,5 Millionen. Am Montag, 5. Dezember, waren es nur noch rund 170.000. Damit basieren die aktuellen Warnungen auf nur rund zwölf Prozent der Ergebnisse, die noch vor zehn Monaten zur Verfügung standen. Eine echte Warnfunktion hat die App damit wohl nicht mehr. Die Warn-App der Bundesregierung war am 16. Juni 2020 veröffentlicht und seitdem vielfach kritisiert worden. Vor allem die Frage nach dem Datenschutz wurde immer wieder diskutiert, aber auch die nach ihrem tatsächlichen Nutzen. Insgesamt wurden bis zum 7. Dezember 2022 über 222 Millionen Warnungen empfangen, darunter auch grüne Warnungen ohne aktiven Handlungsbedarf. Das Bundesgesundheitsministerium teilte gegenüber der "Welt am Sonntag" mit, dass sich die Gesamtkosten auf 220 Millionen Euro belaufen werden. Die App werde bis zum 31. Mai 2023 weiterbetrieben. Grund dafür seien die dynamische Pandemielage sowie der mögliche Anstieg der Fallzahlen im Winter. Im Schnitt brauchte es 4,2 Tage ab Risikobegegnung, bis eine Warnung auf dem Smartphone der betreffenden Person landete, heißt es im Evaluationsbericht des Sachverständigenausschusses vom Juni 2022. Zu spät für Omikron: Die mittlere Generationszeit – also die Phase, in der sich das Virus im Körper ausbreitet und die Phase, in der ein Mensch ansteckend ist – ist abhängig von der vorherrschenden Variante. Sie lag bei Alpha, Beta und Gamma bei etwa 5 (3-7) Tagen, bei Delta bei 4 (3-5), bei Omikron aber bei 3 (3-4) Tagen. Die Mehrzahl der Infizierten (über 50 Prozent) wurde also erst gewarnt, nachdem sie bereits infektiös geworden war. "Damit ist unverändert die schnellstmögliche Information von engen Kontaktpersonen durch die infizierte Person selbst von großer Bedeutung", schlussfolgert der Bericht. Ministerium: "App leistet einen Beitrag" Wie sieht das Bundesgesundheitsministerium den Nutzen der Corona-Warn-App? Auf Anfrage der &bdquo;Stuttgarter Nachrichten“ spricht das Ministerium von einer "dynamischen" Pandemielage. &bdquo;Die App leistet einen Beitrag zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und zur Unterbrechung von Infektionsketten. Vor dem Hintergrund des möglichen Anstiegs der Fallzahlen in den Wintermonaten wurde die weitere Bereitstellung der Corona-Warn-App entschieden.“ Auf die Nachfrage, wie sinnvoll die App noch ist, habe die Redaktion keine Antwort bekommen. Gesundheitsminister Lauterbach erwartet eine Winterwelle. Steigen die Infektionen und halten sich Infizierte an die Vorgabe, den positiven Selbsttest zu verifizieren, könnten die Warnungen der Corona-Warn-App wieder relevanter werden. Dafür müssten Infizierte allerdings konsequenter ihre Testergebnisse hochladen. Und vor allem müssten überhaupt mehr Infektionen auffallen. Die Warnmeldungen wären dann wieder aussagekräftiger. Noch besser wäre es, wenn die App der Omikron-Variante angepasst wird und früher warnt. Hinweise darauf gibt es bislang jedoch nicht. Ausschließlich auf die App verlassen sollte sich niemand. Die grüne Kachel darf nicht zu einem falschen Sicherheitsgefühl führen. Und trotzdem: Steigen die Datenspenden, können die Warnungen gezielter rausgeschickt werden. Zwar verhindern sie nicht jede Ansteckung, weil sie oft zu spät auf dem Handy landen. Aber eben nicht bei allen. Einen Nutzen hat die App also - nur nicht den erhofft großen.

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