Boomendes Hobby

Eisschwimmen macht "extrem gute Laune" - wenn das Zittern vorbei ist

Viele Menschen versprechen sich vom Eisschwimmen und -baden gesundheitliche Vorteile. Die gibt es auch, wenn man einige wichtige Dinge beachtet, erklärt Eisschwimmer und Arzt Rainer Brase.

Wenn man untrainiert ist und sich überfordert, kann Eisschwimmen gefährlich werden. | © picture alliance / Zoonar

02.03.2023 | 02.03.2023, 08:50

Hannover (epd). Von den weltweit etwa 5.000 registrierten Eisschwimmerinnen und -schwimmern kommen nur 220 aus Deutschland. Doch Eisschwimmen boomt und viele betreiben diesen ungewöhnlichen Sport als Hobby oder aus gesundheitlichen Gründen. Rainer Brase ist Eisschwimmer und ausgebildeter Anästhesist/Intensivmediziner. Bis vor zwei Jahren war er Geschäftsführer des Klinikums Wahrendorff in Hannover. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erläutert er, was man beim Eisschwimmen beachten muss.

Herr Brase, welche Ausrüstung braucht ein Anfänger, der mit dem Eisschwimmen beginnen will?

Brase: Man braucht nur Badekleidung, Badelatschen, eine dicke Latexbadekappe und eine große Schwimmbrille. Wenn es kälter als acht Grad ist, helfen Handschuhe und Füßlinge aus Neopren, weil sonst die Finger und Zehen schnell schmerzen. Man sollte nur dort reingehen, wo man stehen kann und gut wieder aus dem Wasser kommt.

Wie lange sollte man denn schwimmen?

Am besten fängt man im Herbst an, um sich an die Kälte langsam zu gewöhnen. Wenn das Wasser noch 18 Grad warm ist, schwimmt man 18 Minuten und mit jedem Grad Temperaturabfall eine Minute weniger. Bei 14 Grad kann man noch gut schwimmen. Ab 10 Grad fangt das kalte Wasser im Spalt zwischen Badekappe und Brille an zu schmerzen. Wenn das Wasser sehr kalt ist, reichen am Anfang auch ein paar Dutzend Schwimmzüge oder höchstens 100 Meter.

Wichtig ist es, ruhig zu bleiben und tief zu atmen. Durch die Kälte ist man komplett bei sich und kann sich nur noch aufs Schwimmen konzentrieren. Im kalten Wasser brennt die Haut, die Atemfrequenz steigt und bei manchen Eisschwimmern verengen sich die Arterien an Hand und Füßen, sodass die Finger und Teile der Hand ganz weiß werden. Das geht aber wieder weg, wenn der Körper nach dem Schwimmen wieder durchgewärmt ist.

Ist es denn eine gute Idee, heiß zu duschen, wenn man aus dem kalten Wasser kommt?

Das ist keine gute Idee. Zu schnelles Aufwärmen ist ungesund. Der Körper übernimmt das Aufwärmen von ganz alleine. Einige Minuten, nachdem ich aus dem kalten Wasser komme, fängt mein ganzer Körper an zu zittern. Die Muskeln zucken, um so Wärme zu erzeugen. Man sollte aber auf jeden Fall Handtücher und warme Kleidung bereitlegen und sich schnell anziehen. Warmer Tee hilft.

Während beim Eisbaden Menschen nur bis zur Schulter eintauchen, ziehen Eisschwimmer ja ihre Bahnen. Dabei kann man sich schnell überfordern. Welche Sicherheitsvorkehrungen sollten Eisschwimmer generell treffen?

Man sollte immer mit einer aufblasbaren Sicherheitsboje schwimmen und niemals unbegleitet ins Wasser gehen. Mit einer Boje wird man vom Ufer aus gut gesehen. Sie erleichtert im schlimmsten Fall auch die Bergung. Sie gibt einem aber auch die Sicherheit, dass man sich jederzeit festhalten kann oder auch mal eine Schwimmpause machen kann. Außerdem hat eine Boje den praktischen Vorteil, dass ich meine Wertsachen darin verstauen kann und sie nicht unbeaufsichtigt an Land lassen muss. Und wenn ich begleitet schwimme, kann der zweite Schwimmer mir im Notfall helfen oder schnell Hilfe rufen.

Kann Eisschwimmen denn gefährlich werden?

Wenn man untrainiert ist und sich überfordert, kann es gefährlich werden. Denn unterkühlte Muskeln bauen wesentlich weniger Kraft auf. Wenn man beim Schwimmen merkt, dass man erheblich langsamer wird, ist das ein Warnzeichen. Wenn sich Daumen und Zeigefinger nur noch verzögert zueinander führen lassen, heißt es, sofort raus aus dem Wasser. Die drei größten Risiken beim Eisschwimmen sind, dass man unterkühlt, schwere Herzrhythmusstörungen bekommt oder sogar ohnmächtig wird. Aber wenn man sich an alle Sicherheitsvorkehrungen hält und gesund ist, ist Eisschwimmen eine gute Sache. Die Gefahren sind beherrschbar.

Raten Sie Eisschwimmern denn zu einer ärztlichen Untersuchung, bevor sie starten?

Ja, unbedingt. Der Arzt sollte in einer sportmedizinischen Untersuchung meine Herz-Kreislauf-Belastbarkeit regelmäßig durchchecken. Der äußere Gehörgang sollte unauffällig sein. Wettkampfsportler müssen sogar ein Gesundheitszeugnis haben, das nicht älter als sechs Monate ist. Eisschwimm-Wettbewerbe werden nach den internationalen Regeln nur gewertet, wenn das Wasser kälter als fünf Grad ist.

Eisschwimmen ist also nur etwas für Trainierte?

Man sollte eine gute Schwimmerkonstitution und Erfahrung im kalten Freiwasser mitbringen. Und ein bisschen Körperfett schadet nicht, Eisschwimmer nennen das liebevoll Biopren.

Auch erfahrene Eisschwimmer müssen sich jedes Mal wieder überwinden, ins kalte Wasser zu gehen. Ist Eisschwimmen auch ein mentales Training?

Ja, das stimmt. Man muss jedes Mal seinen inneren Schweinehund überwinden. Aber dafür wird man nach dem Eisschwimmen ja auch belohnt.

Inwiefern?

Auf jeden Fall macht Eisschwimmen extrem gute Laune - wenn das Zittern vorbei ist. Und durch das Eisschwimmen ist der Körper weniger anfällig für Infektionen. Eine Erkältung ist für Eisschwimmer ein Fremdwort.